Bibelessay zu Lukas 13, 22 - 30
Die Tür ist eng! An dem Bild aus diesem Bibeltext bleibe ich hängen.
8. April 2017, 21:58
Viel öfter habe ich etwas anderes gesungen, nämlich „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Das bekannte Adventlied aus der Barockzeit bezieht sich auf Psalm 24. Dort sollen sich die Tore öffnen, die uralten Pforten des Tempels von Jerusalem, um Gott einziehen zu lassen, „es kommt der Herr der Herrlichkeit“.
In unserem Abschnitt aber ist sie eng, die Tür – thýra im griechischen Originaltext. Lukas verwendet das Wort gleich drei Mal, ganz knapp hintereinander, und er setzt davor agonízeste, „kämpft, strengt euch an“. „Ringt darum“, schreibt Martin Luther, „dass ihr hineingehet durch die enge Pforte“. Angusta porta, übersetzt die Vulgata, die alte lateinische Bibel; narrow door eine neue englische Version. „Geht durch das enge Tor, denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt; der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm“. So lautet die etwas längere Parallelstelle, wie sie Matthäus in der Bergpredigt formuliert. Und er setzt fort: „Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal, und nur wenige finden ihn“ (Mt 7,13f).
Tore und Türen: Sie können eng sein und weit, offen oder verschlossen. Manche haben eine Schwelle, die das Draußen vom Drinnen trennt, sichtbar und spürbar. Türen können vertraut sein oder geheimnisvoll. Verbotene Türen gibt es im Märchen wie im Leben. Hintertüren kennt die Geschäftswelt, die Politik – und jeder Alltag.
Die enge Tür, das weite Tor: Nicht selten wurde und wird mit diesen Bildern schwarz-weiß gemalt. Demnach würde, bestimmt für die Elite der Anständigen und Braven, der steile, mühsame Pfad direkt hinauf führen zur himmlischen Glückseligkeit. Aber tief unten, auf der breiten, ausgetretenen Straße, die große Masse der Durchschnittsmenschen, die in ihr eigenes Verderben läuft, hinab in die Hölle.
Simpel gestrickt, doch eigentlich recht pessimistisch! Franz Kafkas Türhüterparabel „Vor dem Gesetz“ drängt sich mir da auf. Oder „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert, das packende Drama um einen Kriegsheimkehrer. In beiden Stücken – eine offene Tür, aber niemand vermag einzutreten.
Die enge Tür im Bibeltext dieses Sonntags: Auch sie ist offen. „Kämpft“, heißt es da, „strengt euch an, hineinzugehen!“ Nicht um Konkurrenten auszuschalten oder Medaillen zu erringen, wie bei den Olympischen Spielen von Rio, die heute zu Ende gehen. „Kämpft, strengt euch an, hineinzugehen!“ Das meint weniger einen Kampf gegen andere, sondern eher zusammen mit ihnen. Ein Ringen, um gemeinsam leichter zu bestehen und ans Ziel zu gelangen. Um an die Türen der Zuversicht zu kommen und zu den Räumen des Vertrauens vorzudringen. Wer glaubt, spielt im Team.
Die enge Tür: Meine stärkste Erfahrung dazu verbinde ich mit der Geburtskirche in Bethlehem. Drei massive Steinblöcke als Eingang, zwei stehend, der dritte lastet quer darüber. Nur gebückt kann man eintreten. Und einzeln. Ins Dunkel. Anders als bei meiner Geburt, als ich ans Licht getreten bin. Die Geburtskirche in Bethlehem und mein Zur-Welt-Kommen. Die enge Tür und der Leib meiner Mutter. Geschenk des Lebens, für das ich dankbar bin…