Politthriller "Rabin, the Last Day"

In seinem semidokumentarischen Film "Rabin, the Last Day" rekonstruiert Amos Gitai den Tag der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin 1995. Eine atmosphärisch dichte Recherche, in der der israelische Regisseur die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Attentat sowie die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe reflektiert.

Vor einem Jahr hatte der Film im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig Premiere, jetzt kommt er in die österreichischen Kinos.

Mittagsjournal, 30.8.2016

"Zeitdokument und packender Politthriller"

"An einen Moment der Hoffnung erinnern"

Am 4. November 1995 wurde der damalige israelische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Jitzchak Rabin nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv von einem 25-jährigen rechtsfanatischen Jurastudenten erschossen. Rabin war über Jahre eine der prägendsten Figuren der israelischen Politik und treibende Kraft hinter den Friedensverhandlungen mit den Palästinensern.

Es sind drei Schüsse, die in "Rabin, the Last Day" immer wieder durchgespielt und wiederholt werden - auf der Tonebene und im Bild, in nachgedrehten Szenen und mit Archivmaterial. Seinem Film vorangestellt hat Amos Gitai ein Interview mit Shimon Peres, dem ehemaligen Staatspräsidenten Israels und langjährigen Wegbegleiter Rabins. Auf die Frage, ob die Situation im Nahen Osten heute, ohne das Attentat vom 4. November stabiler wäre, antwortet Peres mit einem kurzen Ja. Es habe damals einen Moment der Hoffnung gegeben, so Regisseur Amos Gitai, an den er mit diesem Film erinnern wollte.

Amos Gitai entwirft ein Gesellschaftspanorama, das sich zwischen Knesset und Gebetsräumen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart auffächert und in dem die Gräben innerhalb der israelischen Gesellschaft herausgearbeitet und sichtbar gemacht werden. Mit Schauspielern werden, basierend auf den Protokollen, die Anhörungen der damals eingesetzten Shamgar-Kommission nachgestellt.

"Die wichtigste Frage blieb unbeantwortet"

Und er habe dabei auch die Fragen in den Raum werfen wollen, die die Kommission damals, in ihren limitierten Befugnissen nicht gestellt habe, so Gitai. "Die Shamgar-Kommission war angehalten nur operativen Versäumnissen der Sicherheitskräfte nachzugehen. Die viel wichtigere Frage, welche politischen Kräfte den Nährboden für das Attentat bereitet haben, blieb aber unbeantwortet."

Rabins Politik des Dialogs wurde von der Rechten als Verrat an den Pranger gestellt. Im Film sieht man Benjamin Netanjahu, der in der Knesset Rabin als Verräter beschimpft - danach Netanjahu wider in Archivmaterial bei einem Wahlkampfauftritt unmittelbar neben dem Plakat eines Demonstranten, das Rabin in Gestapo-Uniform zeigt. Eine radikalisierte politische Stimmung, die als Spielwiese für Provokateure und Ideologen den rückwärtsgewandten Optimismus des Films auch wieder relativiert.

Am Ende zeigt Gitai Plakate Netanjahus aus dem Wahlkampf 2015. "Politisch gesehen leben wir in Israel noch immer mit den Nachwehen dieses Attentats. Die politische Macht liegt in den Händen derer, die von Rabins Ermordung profitiert haben. Deswegen habe ich es für richtig empfunden, am Ende den Bogen zur Gegenwart zu spannen."

"Rabin, the Last Day" ist in seiner semidokumentarischen Form zugleich Zeitdokument und packender Politthriller, ein Gesellschaftspanorama das aber auch als Statement des Regisseurs gelesen werden kann: Eine explizite Anklage gegen Extremismus, aber vor allem auch gegen die verbale Gewalt, die die Rhetorik der rechten Parteien in Israel über die Jahre immer wieder geprägt hat.