"El Olivo" - spanisches Roadmovie mit Olivenbaum

Die spanische Regisseurin Icíar Bollaín ist bekannt für ihre kritischen und humorvollen Sozialdramen. In ihrem aktuellen Streifen "El Olivo - Der Olivenbaum" wird der Verkauf eines zweitausend Jahre alten Olivenbaumes aus dem Familienbesitz zum Symbol für viele Missstände der gegenwärtigen spanischen Gesellschaft.

Heute Nachmittag können Sie im Filmmagazin "Synchron" ein Interview mit der Regisseurin hören. Ö1, 16.40 Uhr.

Morgenjournal, 1.9.2016

"Eine starke Parabel für eine entwurzelte Gesellschaft"

Ein 2000 Jahre alter, mächtiger Olivenbaum ist der Stolz des Großvaters und Lieblingsbaum der achtjährigen Enkeltochter - bis eines Tages der Bagger kommt. Der alte Baum wird ausgegraben und für schnelles Geld verkauft, Jahre später versucht ihn die Enkeltochter zurückzuholen.

Vor über zehn Jahren ist der Großvater vor lauter Kummer verstummt. Damals verkauften seine Söhne den alten Baum aus seinem Olivenhain an einen Düsseldorfer Energiekonzern. Seither starrt der Alte nur lethargisch ins Leere, als er schließlich auch die Nahrungsaufnahme verweigert, beschließt seine Enkeltochter Alma, den Baum - ihren gemeinsamen Lieblingsbaum - wieder zurück nach Hause zu holen.

Planlos aber wild entschlossen reist Alma nach Düsseldorf, löst eine Welle der Solidarität und einen Polizeieinsatz aus und stochert ganz nebenbei in den verkrusteten Wunden ihrer Familie und der ganzen Nation. Regisseurin Icíar Bollaín: "Ich wollte über viele Dinge sprechen, die gerade in Spanien passierten, Krise, Korruption, Kapitalismus und Werteverfall. Und der Olivenbaum ist eine starke Metapher für alle diese Themen."

Symbolischer Ausverkauf eines Landes

Der entwurzelte, verkaufte Olivenbaum wird zum Leitmotiv des ganzen Films, zum Symbol für den Ausverkauf eines Landes und seiner Kulturgüter. So wie er wurden Anfang der 2000er Jahre viele tausendjährige Olivenbäume aus Spanien exportiert, zur Behübschung von Privatgärten und Konzernsitzen reicher Nordeuropäer. Für Alma und ihren Großvater ist der Baum, dessen Stamm das Gesicht eines Monsters darstellt, ein unbezahlbarer Schatz aus der Vergangenheit.

Inhaltliche Fülle mit wenigen Worten

Aus Rückblenden, eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen, detailliert gezeichneten Figuren und humorvollen Dialogen setzt sich die Geschichte allmählich wie ein Puzzle zusammen. Wie immer gelingt es der Regisseurin, mit wenigen Worten und starken Bildern viel zu erzählen: Familiendrama, Umweltaktivismus, Korruptionsskandal, Wirtschaftskrise und eine Liebesgeschichte finden Platz in dieser Fabel vom verkauften Olivenbaum, für die übrigens kein Baum zu Schaden kam oder das Land verlassen musste, wie die Regisseurin beteuert. Er erhielt für die Reise nach Düsseldorf ein künstlich nachgebautes Double.

Die Krise und die Folgen

Bis heute zehrt Spanien an den Folgen des Baubooms und der Immobilienblase. Die Spekulation hat auch Almas Vater in den finanziellen Ruin getrieben, den Onkel beinahe um seine Existenz gebracht. Derzeit befinde sich das Land im Stillstand, zwischen Schockstarre und Hoffnung auf eine positive Kehrtwende, meint Icíar Bollaín: "Es heißt, es würde besser, aber tatsächlich stehen uns wieder neue Einsparungen bevor. Es herrschen Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und Prekariat, viele junge Menschen bekommen Arbeitsverträge, von denen sie nicht leben können. Als ich den Film in Deutschland präsentierte, saßen viele junge Spanier im Publikum, die auswanderten, weil sie zu Hause keine Zukunft haben."

Schöner, emotionaler Film

Einige der zahlreichen Themen des Films hätten durchaus mehr Tiefgang vertragen können, manche Handlungsstränge verlaufen alsbald im Sand. Fazit: Kein Meisterwerk, aber ein sehr emotionaler, schöner und humorvoller Film und eine starke Parabel für eine entwurzelte Gesellschaft.