John Cleese im Interview

Am Wochenende beehrte Monty-Python-Mastermind John Cleese das Literaturfestival Sprachsalz in Hall in Tirol. Ö1 nahm dies zum Anlass, um mit dem Briten über Political Correctness, den Brexit und darüber, ob ein Komiker die Welt verbessern kann, zu sprechen.

John Cleese

AP/JOEL RYAN

Kulturjournal, 13.9.2016

Als die britische Comedy-Truppe Monty Python im Juli 2014 für eine Reunion noch einmal zusammenkam, reagierte die Welt als wären die Beatles wieder auferstanden. Tatsächlich werden die Komiker, die vor allem für ihre TV-Show "Monty Python's Flying Circus" und Filme wie "Das Leben des Brian" bekannt sind, immer wieder mit den Beatles verglichen. Was die Beatles für die Popmusik geleistet haben, das hätten Monty Python für die Comedy getan.

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John Cleese, "Wo war ich noch mal?", Autobiografie, Blessing
Originaltitel: "So, Anyway …"

Sprachsalz

Python-Mastermind John Cleese erhält heute in Berlin die Goldene Rose für sein Lebenswerk. Der 76-Jährige ist Drehbuchautor von Erfolgsfilmen wie "Ein Fisch namens Wanda", millionenschwerer Businessmann und mittlerweile halber Amerikaner. Auch wenn Cleese noch rüstig ist und vor allem verbal immer noch scharf schießt, mit 76 ist ein Preis für das Lebenswerk nicht verfrüht.


Ö1: John Cleese, lassen Sie uns gleich über Politik reden. Sie verkörpern hierzulande so etwas wie eine Essenz des Britischen oder des Englischen. Wie sehen sie sich selbst? Stört es Sie als Brexit-Befürworter nicht, in einem Atemzug mit Nigel Farage oder Boris Johnson genannt zu werden?

John Cleese: Früher nannte man das Sippenhaftung. Dieses Argument hat doch keinerlei intellektuelle Rechtfertigung. Wenn man heute in England behauptet, dass wir nicht die Infrastruktur haben, um mehr Immigranten aufnehmen zu können, wird man als Rassist bezeichnet. Bei diesen Diskussionen ging es nicht um intelligente Ansätze, sondern nur darum, das jeweils andere Lager zu beleidigen. Ich glaube, fast kein Politiker kümmert sich um sein Gerede von vor fünf Jahren. Dabei wissen wir einfach nicht, was die Zukunft bringen wird. Ich will jedenfalls nicht, dass die EU von Brüsseler Bürokraten geleitet wird, die eine gewisse Einstellung haben, die mir zutiefst undemokratisch erscheint.

Mit dem Cambridge Circus und dann natürlich mit Monty Python haben Sie die Gesellschaft, die Kirche und die politische Korrektheit attackiert. Leben wir heute in einer weniger liberalen Zeit als damals?

J. C.: Kluge Frage. Einerseits können wir sicher freier denken, aber die Political Correctness, die ja einmal eine gute Idee war, wurde ad absurdum geführt. Im Humor geht es um einen Sinn für Verhältnisse. Wenn die Leute ihren Sinn für Humor verlieren, weil es sie gesellschaftlich durchschüttelt, dann neigen sie dazu, sich dumm zu verhalten. Das Problem mit den Advokaten der Political Correctness ist, dass sie offensichtlich keinen Sinn für Humor haben. Folglich also auch keinen Sinn für Verhältnisse. Jesus Christus ist ja auch nicht dafür eingetreten, sich nur einer gewissen Rasse höflich gegenüber zu verhalten, sondern dafür sich allen gegenüber höflich zu verhalten.

Kann man als Komiker die Welt verbessern?

J. C.: Ich habe Peter Cook, den britischen Comedian, immer sehr bewundert. Der hatte einen wunderbar verqueren Humor und meinte einmal auf genau diese Frage: "Schauen sie sich doch das Berliner Cabaret der 1920er Jahre an und achten sie darauf, was es dazu beigetragen hat, Hitler zu stoppen." Das sagt doch alles.

Wollten Sie je ihren Job mit dem eines Buchhalters tauschen?

J. C.: Nein, das wollte ich nie. Mich erschöpfen andere Dinge. Wenn ich aber kreativ bin, habe ich die meiste Energie. Wenn ich in diesen traumähnlichen Zustand komme, dann würde ich am liebsten dort verweilen. Das geht aber nicht, weil ich mich auch um weltliche Anliegen kümmern muss. Erst heute Morgen brauchte ich eine ganze Stunde für diese verdammten E-Mails.

Aber Kreativität ist doch nicht nur Spaß, sondern auch harte Arbeit.

J. C.: Ich finde sie nur dann belastend und zehrend, wenn ich einen Abgabetermin vor mir habe. Dann wird’s mühsam, weil man sich zu etwas zwingen muss. Meine besten Sachen habe ich immer ganz ohne Zeitdruck geschrieben. Wenn man jedoch unter diesem Stress stehen muss, um etwas weiterzubringen, dann liegt’s an einer mangelnden Organisation des Alltags. Ich sage immer: Es ist schon gut, in Panik zu geraten, aber doch nicht am Ende. Macht das am Anfang, Panik verleiht einem Energie - sie hilft, die Arbeit zu schaffen. Am Ende bringt das doch gar nichts.

Im Film "Zwischenspiel" haben Sie mit Oscar Werner gedreht. Wie war das für sie?

J. C.: Oscar Werner konnte mich anfangs nicht leiden. Ich spürte immer einen gewissen Argwohn bei ihm. Eines Tages aber redeten wir dann übers Essen und von da an waren wir gute Freunde. Am Ende des Drehs hat er mir seinen Dirigentenstock aus dem Film gegeben - Graham Chapman hat dann solange damit gespielt, bis er gebrochen ist. Werner war ein wunderbarer Schauspieler. Mein Lieblingsfilm als ich aufwuchs war aber "Der Dritte Mann" mit diesem Zitherspieler, Anton Karas. In England hatte damals jeder diese Melodie im Kopf. Ich glaube ja, dass Wien so kultiviert ist, weil ihr die Jugendlichen losgeworden seid. Ich sage über Wien immer: Da gibt es Büchereien, Musik, Buchhandlungen und Kunstgalerien. Die Polizei rückt dort am frühen Morgen aus, schnappt sich alle jungen Menschen, bringt sie aufs Land und lässt sie dort frei, damit sie erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder in die Stadt kommen. Wien ist nicht von der Jugend kontaminiert und damit die kultivierteste Stadt der Welt.

Brighton, Ihre Heimatstadt wurde im Krieg durch Bomben der Nazis zerstört. Die EU gilt heute als ein großes Friedensprojekt - sind Sie nicht beunruhigt darüber, wohin Europa sich zu entwickeln scheint?

J. C.: Schauen Sie, wir wissen doch alle, dass Hillary Clinton eine ungeheuerliche Lügnerin ist. So wie ihr Mann, nur dass der Charme hatte, und sie eben nicht. Aber dass sich die Amerikaner überhaupt vorstellen können, einen Mann wie Trump zu wählen? Was kann man da noch machen? Ist das ein Versagen der Demokratie, oder was ist das genau? Ich glaube nicht, dass wir uns alle wieder in einen Krieg stürzen. Aber das kommt auf die politischen Führungskreise an. Was zum Teufel passiert da gerade in Syrien, wo Putin und der iranische Klerus Assad unterstützen? Was für eine Bösartigkeit. Aber auch wir haben Saudi-Arabien unterstützt. Wegen des Öls und der Waffenexporte, und dort herrscht ein ganz übles Regime. Aber beim Brexit geht es für mich nicht um den Weltfrieden. Da geht es darum, dass wir ein integriertes Europa wollen, nur eben keines, in dem eine Horde zentralistischer Bürokraten die Traditionen und Kulturen der einzelnen Länder ignoriert. Für mich ging es bei diesem europäischen Projekt darum, dass Bürokraten versuchten, Europas Bedeutung aufzublasen. Darum sollte es aber nicht gehen, finde ich.

Ich würde gerne wissen, wo Ihre Präferenzen liegen?

J. C.: Mir geht es um Demokratie - und zwar keine selektive Demokratie. Verstehen sie mich nicht falsch: Demokratie ist ein Desaster, aber wir haben keine bessere Alternative. All die kleinen Läden, die wir in London hatten, und die es in Österreich vermutlich noch gibt, sind weg. Weil man jetzt versucht, den Frauen von superreichen gemeinen Verbrechern Handtaschen zu verkaufen. Wollen wir wirklich, dass jedes Land auf Kosten seiner eigenen Kultur kosmopolitisch wird? Meine Antwort ist: nein.