Koalitionärer Zwist in deutschen Medien

Ein neuer, alter Streit zwischen SPÖ und ÖVP macht deutlich, wie uneinig sich die Koalitionspartner in Sachen Wirtschaftspolitik sind: Auslöser ist ein Kommentar von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von vorgestern: Europa müsse mehr investieren und sich von der Sparpolitik abwenden, schrieb Kern.

Mittagsjournal, 14.9.2016

Die Zeitung hat Kern und mehrere andere europäische Politiker um einen Gastkommentar zum Thema "Zerfällt Europa" gebeten. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) konterte prompt und sagte der derselben Zeitung: Kern sei ein linker Ideologieträger - Wirtschaftswachstum auf Pump funktioniere nicht.

Auf Linie mit Juncker

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat die ÖVP-Kritik an seinen Vorschlägen zur Reform der EU-Wirtschaftspolitik zurückgewiesen. Sie sei "Ausdruck einer bestimmten rechten Ideologie", so Kern im Ö1-Mittagsjournal. Sich selbst sieht er auf einer Linie mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der kein Sozialdemokrat sei.

Kern verwies darauf, dass Juncker am heutigen Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union eine Verdoppelung des EU-Investitionsfonds gefordert habe, um Beschäftigung anzuregen. "Das ist das, was ich auch möchte. Der Herr Juncker ist ja bekanntlich Mitglied der Europäischen Volkspartei und nicht der Sozialdemokraten."

Schelling verteidigte seine Kritik, er habe "keine negative Assoziation" mit dem Begriff "linker Ideologieträger", den er im "FAZ"-Interview verwendet hatte. Die Aussage sei "nicht persönlich" gemeint, so der Finanzminister. Kern sei "die Speerspitze der sozialdemokratischen europäischen Regierungen" beim Vorantreiben des Projekts.

Der ÖVP-Politiker beklagte, dass Kern seinen Vorstoß nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt habe. "Der Bundeskanzler fordert Teamgeist von der Bundesregierung ein. Wenn man solche Überlegungen anstellt, wäre es gut, dass man es als Regierungslinie anstreben würde", sagte der frühere Wirtschaftskammer-Vizepräsident.