Amokfahrer von Graz vor Gericht

Im Grazer Straflandesgericht hat planmäßig der Prozess gegen Alen R. begonnen. Der 27-Jährige soll im Juni vorigen Jahres bei seiner Amokfahrt durch Graz drei Menschen getötet und mehr als hundert verletzt haben. Da er als nicht zurechnungsfähig eingestuft wurde, hat die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingebracht. Gut 15 Polizisten sicherten den Eingang zum Gerichtssaal ab, doch der Besucherandrang hielt sich in Grenzen.

Mittagsjournal, 20.9.2016

Vom Prozess in Graz,

Gerichtsakte

APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL

20.Juni 2015, ein Tag, den viele Grazer nie vergessen werden. Hunderte schlendern durch die Fußgängerzone in der Innenstadt, sitzen in den Schanigärten der Lokale, als ein Geländewagen auf sie zurast - mehrere Menschen niederfährt, stoppt, mit einem Messer auf Passanten losgeht, seine Amokfahrt fortsetzt. Drei Menschen sind auf der Stelle tot, unter ihnen ein vierjähriger Bub, ein viertes Opfer stirbt Tage danach.

Viele, die dabei waren und überlebt haben, brauchen psychologische Betreuung, einige von ihnen - bis heute. Seit drei Stunden steht der 27jährige Amokfahrer nun vor dem Grazer Straflandesgericht.

Weißer Anzug, weiße Schuhe

Das Auffallendste ist, er trägt einen weißen Anzug. Und anders als bei der Amokfahrt hat der 27-jährige Österreicher mit bosnischen Wurzeln keinen Bart sondern ist glatt rasiert, trägt eine Brille.
 
Was bringt jemanden zu so einer Tat? Hat der Mann darauf schon eine erste Antwort gegeben? Wie hat er die Amokfahrt begründet?
 
Das war einigermaßen grotesk, muss ich sagen. Er hat sich verfolgt gefühlt, auch geglaubt, Schüsse zu hören an dem Tag. und dann habe er mehrmals die Kontrolle über den Geländewagen verloren. "Ich habe nicht so viel Erfahrung mit Autos und lenken" sagt er. Er hat aber mit Autos gehandelt. Und auf einem Zusammenschnitt aus Videos von Überwachungskameras, der im Gerichtssaal vorgespielt wurde, da hat man gesehen, wie der Mann teils gezielt auf Menschen zugefahren ist. Das konnte er nicht erklären, warum.
Ebenfalls widersprüchlich war: Die die ihn angeblich verfolgt haben, hatte der 27-jährige ursprünglich als türkische Mafia bezeichnet, dann als Bosnier. Und heute sagt er, sein Schwiegervater stecke da wohl dahinter und habe ihn telefonisch bedroht und in die Irre geführt.
 
Glauben ihm die Richter?
 
Nein, sie machen jedenfalls nicht den Eindruck. Der vorsitzende Richter hat sogar gesagt, Sie wechseln ihre Verantwortung wie andere die Unterbekleidung. Der Richter scheint Frust als Grund für die Amokfahrt zu vermuten. Fehlenden beruflichen Erfolg, eine bevorstehende Scheidung, eine angebliche Internet-Liebschaft, die genau an diesem Tag nicht erschienen ist. Da sei der 27-Jährige durch Graz gerast, um zu zeigen, dass er noch Macht habe. Der Richter hat dann auch eine Aussage zitiert, die der Amokfahrer in einer Befragung im Ermittlungsverfahren einmal getan hat. Nämlich: wenn jemand von einer Stiege stürzt und andere mitreißt dann ist auch nicht er schuld, sondern der ihn oben gestoßen hat - gemeint also wohl diejenigen von denen er sich verfolgt gefühlt habe. Überhaupt war nicht allzu viel Reue wahrzunehmen, nur dass er niemanden töten wollte, hat der 27-Jährige schon gesagt.
 
Eine Richterin hat den Amokfahrer angeherrscht und ihm erklärt, er sei kein Christ, er sei nämlich nicht getauft und er habe nur die Erstkommunion, das reiche nicht. Er selbst sagt, aber, dass er sich als Christ fühlt.
Allerdings hat er mit einem in Graz verurteilten Islamisten Kontakt gehabt. Das hat ihm der vorsitzende Richter vorgehalten. Das sei wohl wegen eines Autoverkaufs gewesen, sagt der Amokfahrer. Aber er sei nie in die Moschee gegangen. Und trotzdem bleiben Fragezeichen. Zum Beispiel wieso seine Computerfestplatten gelöscht gewesen weil sie alt waren, sagt der 27-Jährige. Und warum sind die Airbags nicht aufgegangen bei der Amokfahrt, das weiß er nicht, abgeschalten habe er sie nicht.

Diese Amokfahrt ist nicht nur für die Angehörigen der Opfer schwer zu verkraften, wie haben denn die Prozessbeobachter, unter ihnen sind ja viele Augenzeugen, die Aussagen des Amoklenkers aufgenommen?

Im Schwurgerichtssaal, wo wir Journalisten sitzen, da war es völlig ruhig. Allerdings sitzen da eben Journalisten und vor allem Jus Studentinnen und Studenten. Die Zuschauer, ein paar Angehörige und Menschen die an jenem Tag in Graz unterwegs waren sitzen in einem anderen Raum, per Video wird die Verhandlung dorthin übertragen, aber da ich nicht sagen, wie das die Menschen aufgenommen haben.
 
Acht Laienrichter müssen unter der Leitung von drei Berufsrichtern entscheiden, ob der Amoklenker zurechnungsfähig war, als er in die Menschenmenge gerast ist – wie lang wird das dauern?

Der Prozess ist vorerst bis nächsten Freitag angesetzte also für neun Tage. Heute Nachmittag werden die ersten Opfer und Zeugen befragt. Voraussichtlich auch der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl. Auf einem Video hat man gesehen, wie er davon gefahren ist, als der 27-Jährige mit seinem Geländewagen mehr oder weniger auf ihn zugerast ist. Und im Laufe des Prozesses werden noch zahlreiche Gutachter zu Wort kommen. Darunter jene zwei, die den 27-Jährigen nicht für zurechnungs- und schuldfähig halten, weil er an paranoider Schizophrenie leide und aber auch ein Grazer Gutachter, der meint, dass dauerhafter Cannabiskonsum mit ein Grund für die Wahnvorstellungen gewesen sei, und dass der Angeklagte zwar psychisch krank aber sehr wohl zurechnungsfähig war. Die Geschworenen werden entscheiden welchem Gutachter sie glauben.