Homosexualität in Marokko: Leben im Verborgenen

In Deutschland wird noch darüber diskutiert, in Österreich ist es bereits der Fall: Länder der Maghreb-Staaten also Tunesien, Algerien und Marokko gelten hierzulande seit Februar als sichere Herkunftsstaaten. Für Menschen, die Asyl beantragen, bedeutet das: ihr Verfahren unterliegt einer Schnellprüfung, die nicht länger als zehn Tage dauern soll. Als schutzbedürftig gelten zum Beispiel Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden. In Marokko ist Homosexualität gesetzlich verboten. Und auch Organisationen, die sich für die Rechte von Homosexuellen und Transgender Personen einsetzen, können das nur mit großer Vorsicht tun.

Mittagsjournal, 21.9.2016

Eine Aktivistin der LGBT Community in Rbat,

Leben im Verborgenen

"Es ist ein geheimes Leben, denn sobald jemand in der Öffentlichkeit oder innerhalb der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule oder Universität erfährt, dass man homosexuell ist setzt man sich Risiken aus, wird stigmatisiert", sagt Aida, die ihrene echten Namen nicht nennen will.

Aida ist seit drei Jahren Mitglied des Kollektivs Aswat, auf Deutsch Stimmen, das Homosexuellen in Marokko hilft sich untereinander zu vernetzen. Der Leidensdruck der Betroffenen sich nicht outen zu können ist groß und wird oft ausgenutzt.

Erpressung an der Tagesordnung

"Manche Homosexuelle werden erpresst. Es wird ihnen damit gedroht sie bei der Polizei oder ihrer Familie zu verraten. Im Gegenzug werden von ihnen Dienste verlangt. Manchmal Geld, oder sexuelle Gefälligkeiten. Zwei Freundinnen von mir ist das passiert: der Arbeitgeber von einer der beiden hat damit gedroht, die andere bei der Polizei zu denunzieren und sie zu sexuellen Handlungen gezwungen" erzählt Aida.

Anzeige können die Betroffenen nicht erstatten. Denn gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen können in Marokko mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Deswegen sind Homosexuelle auch dann nicht geschützt, wenn sie Opfer von Selbstjustiz durch die Bevölkerung werden, sagt Aida:

"In der Stadt Fez ist eine Menschenmenge vor einem Jahr auf einen Homosexuellen losgegangen. Danach haben der Innen- und der Justizminister eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in der stand, dass alle Bürger die Selbstjustiz vollziehen Haftstrafen drohen. Aber auch, dass Homosexuelle bestraft werden."

Vorsichtiger Optimismus

Offen Homosexuell könnten in Marokko nur Menschen aus einer gehobenen sozialen Schicht sein, sagt Aida. Sie ist trotz dieser Doppelmoral vorsichtig optimistisch:

"Ich freue mich, denn ich sehe heute eine neue Generation von Homosexuellen in Marokko, die nicht unbedingt als Aktivisten für bessere Gesetze auf die Straße geht. Aber es sind junge Menschen die einander selbstsicher in Cafés treffen. Schon ihre Präsenz ist eine Art Widerstand. Das macht mir Hoffnung, denn trotz der Angst und der Risiken, kann dieses „Sich zeigen“ zur Sensibilisierung beitragen."

Ein kleiner Schritt, der in Marokko viel Mut erfordert.