Schlüsseltag im Amokfahrer-Prozess

Im Prozess nach der Amokfahrt in Graz im Juni 2015 ist für heute das Urteil geplant. Dass der 27jährige Angeklagte mehr als 100 Menschen angefahren und drei getötet hat, das hat nicht einmal seine Verteidigerin in Frage gestellt. Die Geschworenen müssen heute vor allem über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten entscheiden. Denn wenn er zurechnungsfähig war, kann er als Mörder verurteilt werden.

Morgenjournal, 29.9.2016

Im Grazer Straflandesgericht wird heute das Urteil über den Grazer Amokfahrer erwartet. Die Geschworenen müssen im Wesentlichen darüber entscheiden, ob der Angeklagte bei seiner Wahnsinnsfahrt durch Graz, bei der drei Menschen starben, zurechnungsfähig war. Denn davon hängt ab, ob er als Mörder verurteilt wird. Im Grunde ist es eine medizinische Entscheidung, auch über die Glaubwürdigkeit der Gutachter.

Morgenjournal, 29.9.2016

Direkt aus Graz,

Eigentlich müssen die Geschworenen heute in einer medizinischen Frage entscheiden und quasi als Schiedsrichter fungieren zwischen den Gerichtsgutachtern. These Nummer 1 lautet: Der sogenannte Amokfahrer ist paranoid schizophren, hat in einem absoluten Verfolgungswahn gehandelt, war nicht zurechnungsfähig und kann daher nicht verurteilt werden. Diese These vertritt Liane Hirschbrich. Die Anwältin des 27-Jährigen argumentiert: „Es wurden 8 erfahrene Psychiater, bzw. Sachverständige als Zeugen gehört. Sie vertraten einstimmig die Auffassung, dass mein Mandant an einer geistigen Erkrankung leidet.“ Die Anwältin meint zwei Gerichtsgutachter, einen Privatgutachter sowie Ärzte aus Krankenhäusern und der Justizanstalt Göllersdorf, die sich teilweise aber auf die Diagnosen anderer verlassen hatten oder den 27-Jährigen nur kurz untersucht haben.

Die zweite These wird vor allem vertreten von einem Grazer Gerichtsgutachter und einer Psychologin, die heute noch befragt wird. Demnach ist der 27-Jährige zwar psychisch krank, leide aber nicht an Schizophrenie sondern einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, ist zwanghaft, abhängig, negativistisch und eigensinnig aber war zurechnungsfähig – oder wie Opferanwalt Bernhard Lehofer formuliert: letztlich stellt sich die Frage: ist es ein „ganz normaler Amokläufer“, der aus Hass auf die Welt das getan hat oder haben wir es mit einem Kranken zu tun? Aus meiner Sicht überwiegen die Elemente eines ganz normalen Amoklaufes. Wie ich auf dem Standpunkt stehe, dass uns der Betroffene etwas vorspielt. Die Entscheidung treffen einzig und allein die Geschworenen.“

Bei beiden von den Gutachtern vertretenen Varianten würde der Täter im sogenannten Maßnahmenvollzug untergebracht. „Wenn er nicht zurechnungsfähig ist, vermutlich wieder in die Sonderjustizanstalt nach Göllersdorf, hat einer der Gutachter gemeint. Das sei ein Hochsicherheitsgefängnis. Eines mit medizinischem Schwerpunkt. Jährlich würde dann überprüft, ob der 27-Jährige womöglich nicht mehr gefährlich ist und entlassen werden kann. Aber dass Psychiater und ein Gericht nach dieser Tat schon in den nächsten Jahren eine Entlassung ermöglichen, bezweifeln selbst einige Opferanwälte. Bei Zurechnungsfähigkeit – also Einweisung in eine Anstalt plus einer Verurteilung, könnte der Täter im Maßnahmenvollzug in einem klassischen Gefängnis wie Stein, Garsten oder der Justizanstalt Karlau untergebracht werden. Bei einer lebenslangen Haftstrafe plus Einweisung könnte er allerfrühestens nach 15 Jahren bedingt frei kommen, aber auch nur sofern er dann nicht mehr als gefährlich gilt.