Bibelessay zu Lukas 19, 1 – 10
Im Lukasevangelium werden vor den letzten Tagen Jesu in Jerusalem und vor seiner Kreuzigung verschiedene Begegnungen und Reden Jesu erzählt, die wichtigsten Botschaften Jesu werden so nochmals zusammengefasst.
8. April 2017, 21:58
Eine solche Szene, die sogenannte Begegnung zwischen Jesus und dem Zöllner Zachäus, steht heute im Mittelpunkt. Die römische Besatzungsmacht hatte die Praxis, das Einheben der Steuern dem Meistbietenden zu verpachten. Zachäus war Hauptpächter am Zoll der Oase von Jericho. An der Handelsstraße zwischen Jerusalem und der Arabischen Wüste gelegen war dies eine einträgliche Zollstation. Klar war, dass Zachäus und seine Mitarbeiter ein Mehrfaches dessen eintrieben, was sie den Römern abgeben mussten. Er war ein verhasster Kollaborateur.
Jesus kommt in diese bunte Stadt Jericho. Viele Menschen wollen ihn sehen. Der stadtbekannte Zachäus ist zwar vergleichsweise reich, aber er ist verachtet, er bekommt keinen Platz in der ersten Reihe, und er ist klein, also klettert er auf einen Maulbeerbaum. Irgendwie peinlich, eine stadtbekannte Person auf dem Baum. Ein Zuschauer.
Und dann passiert Eindrückliches: Jesus bleibt stehen. Jesus spricht Zachäus an. „Komm schnell herunter“, sagt Jesus, und Zachäus, so heißt es, kam „schnell“ herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. Als hätte er schon lange darauf gewartet, dass ihn endlich jemand anspricht. Dass ihn endlich jemand sieht. Klar ist: Zachäus kann nicht länger Zuschauer sein. Jesus ruft ihn zu sich, Jesus kommt zu ihm nach Hause. Jesus sitzt mit ihm am Tisch, isst und trinkt – und es geschieht Veränderung. Wie wenn Zachäus vorab aus schlechtem Gewissen gleich sagt: Ich weiß ja, ich gebe zurück, was nicht recht war...
Jesus provoziert, er mutet den Menschen zu, dass er genau bei den verhassten Personen einkehrt. Es klingt so harmlos: „Jesus ist bei einem Sünder eingekehrt“. Hier geht es aber um massive Ausbeutung, um Korruption, um Willkür, hier geht es um die Existenz der Menschen, von denen der Zoll gefordert wird. Jesus provoziert: Auch der verhasste Chef des Zolls ist ein Mensch, ein „Sohn Abrahams“. Auch er hat das Recht auf Begegnung und Veränderung.
Die Szene bleibt eine Herausforderung, finde ich. Christinnen und Christen seit damals sind eingeladen, von Zuschauern zu Beteiligten zu werden, die distanzierte Randposition zu verlassen und sich mitten hinein zu stellen. Jesus macht vor, wie das geht: Wahrnehmen – ansprechen – persönlicher Kontakt, reden, essen und trinken – und dann kann etwas in Bewegung kommen. Zachäus übernimmt Verantwortung. Spannend.
Lukas erzählt in seinem Evangelium nicht mehr davon, ob Zachäus tatsächlich diese Gelder zurückgegeben hat… Aber mir ist bewusst geworden: Es ist angenehm, Zuschauer oder Zuschauerin zu sein: ein bisschen schauen, und dann wieder zurück in den gewohnten Alltag gehen. Es geht aber um Veränderung, es geht darum, sich zu beteiligen und Verantwortung zu übernehmen.