Back in Burg: Martin Kusejs "Hexenjagd"
Prominent besetzt mit Michael Maertens, Florian Teichtmeister oder Dörte Lyssewski hat gestern Abend im Wiener Burgtheater die Premiere von Arthur Millers Stück "Hexenjagd" stattgefunden.
8. April 2017, 21:58

Ensemble, Michael Maertens, Florian Techtmeister und Steven Scharf
APA/BURGTHEATER/REINHARD WERNER
Morgenjournal, 23.12.2016
Es war eine mit hohen Erwartungen besetzte Premiere, ist es doch seit acht Jahren die erste des österreichischen Regisseurs Martin Kusej, der das Burgtheater, für das er auch als Direktor im Gespräch war, lange Zeit gemieden hat.
An diesem Haus hat er prägnante Inszenierungen gezeigt – etwa "König Ottokars Glück und Ende" oder der "Weibsteufel". Seit fünf Jahren leitet er das Residenztheater in München und macht jetzt einen Ausflug nach Wien.
Mittagsjournal, 22.12.2016
Vorbericht von
Der rechte Terror sei sein Motiv gewesen, dieses Stück zu inszenieren, so Kusej in einem Interview. Katharina Menhofer war bei der gestrigen Premiere und fasst ihre Eindrücke zusammen.
Freundlicher Applaus
Die Vorschusslorbeeren waren zahlreich, ebenso die Erwartungen und auch die Vorfreude - nach langen Jahren wieder eine Kusej-Inszenierung an der Burg zu sehen. Und doch blieb die ganz große Euphorie nach dreieinhalb dunklen, langen Stunden etwas gedämpft - auch beim Publikum, das freundlichen Applaus spendete, der allerdings bei den Darstellern, allen voran Steven Scharf als John Proctor.
Ein Dickicht aus riesigen schwarze Kreuze dominiert das Bühnenbild von Martin Zehetgruber, mit dem Kusej immer zusammenarbeitet, zu Beginn stellen sie den Wald dar, später die Säulen des Gerichtssaals und am Ende zwischen Gitterkäfigen die Grundmauern des Gefängnisses. Unter diesen Kreuzen findet die Hexenjagd statt – Arthur Miller hat von wahren Geschenissen im frommen Salem des Jahres 1692 inspirieren lassen - um damit die Kommunistenhetze der McCarty-Ära anzuprangern.
Ein paar junge Mädchen werden bei einem nächtlichen, sexuell aufgelandenen Tanz im Wald erwischt - Kusej zeigt die sonst nur erzählte Geschichte als Gruppenmasturbation mit Strängen zwecks Luststeigerung. Aus Angst vor Bestrafung erfinden die Mädchen den Teufel, der in verschiedene Dorfbewohner gefahren sei und sie verhext habe. Es kommt zu Verleumdungen unliebsamer Mitbürger, zu Folterungen und zahlreichen Hinrichtungen.

Ensemble, Marie-Luise Stockinger, Ignaz Kirchner und Michael Maertens
APA/BURGTHEATER/REINHARD WERNER
Wie kann es so weit kommen?
Um den Terror im Namen Gottes - und zwar weniger um jenen der Islamisten, als jenen der rechten Parteien überall in Europa - gehe es ihm in seiner Inszenierung, hat Kusej in Interviews betont. Und die Frage, wie es geschehen kann, dass in einer Gesellschaft innerhalb kürzester Zeit sämtliche Parameter des gesunden Menschenverstandes, der Humanität und Nächstenliebe außer Kraft gesetzt werden. In Kusejs Wortmeldungen erkennt man die Dringlichkeit dieses Stück zu spielen, im Stück selbst nicht immer.
Dazu bleibt es zu sehr in der puritanischen Gesellschaft verhaftet, die uns heute höchst fremd erscheint, mit ihren Diskussionen über die Zehn Gebote, die Existenz von Hexen und den Exorzismus Ritualen. Bleiern soll diese lustfeindliche Gesellschaft wirken, deshalb werden die Dialoge in Zeitlupe zerdehnt, Kusej verordnet Nachdenkpausen – und zwar buchstäblich nach jedem Satz der Darsteller. Das bremst ein wenig und führt zum Gähnen und Husten im Publikum.
Fazit: Martin Kusejs "Hexenjagd" wird manchen gefallen und manchen nicht – wie das eben so ist im Theater, aber allein die Tatsache, dass er wieder am Burgtheater inszeniert, sollte man als Weihnachtsgeschenk von Karin Bergmann dankend annehmen.
Mehr dazu in
ORF.at - Erste Premiere seit acht Jahren
Service
Burgtheater - Hexenjagd