Anonyme Geburten in Österreich

Die Babyklappe im 21. Jahrhundert

In regelmäßigen Abständen und viel zu oft legen verzweifelte Mütter ihre Kinder ab. In Österreich gibt es neben der Möglichkeit der Freigabe zur Adoption auch übers ganze Land verteilt fünfzehn Babyklappen, in denen auf die Babys geschultes Personal wartet.

Babyklappe

DPA/STEFFEN KUGLER

Anfang Jänner dieses Jahres wurde in Klagenfurt ein neugeborener Bub stark unterkühlt in einer Mülltonne gefunden. Er hat überlebt. Die tragische Geschichte des am Flughafen Wien abgelegten Babys ging vor einigen Wochen durch alle Medien. Das Kind einer 27-jährigen Nigerianerin auf der Durchreise von Weißrussland nach Washington ist im Wiener Donauspital verstorben. Die Mutter wurde verhaftet, ist aber mittlerweile auf Kaution freigelassen und bei der Caritas untergebracht.

Seit dem Frühjahr 2001 ist die Kindesweglegung in Österreich straffrei, solange das Kind an einem sicheren Ort abgegeben wird. Seit der Eröffnung der Babyklappe im Wilhelminenspital wurden 29 Kinder abgegeben. In Wien gab es nur im Jahr 2014 drei ausgesetzte Findelkinder, davor und bis jetzt keine mehr.

Keine Videoüberwachung

Direkt an der Station Flötzersteig der Buslinie 48A befindet sich der Eingang zum Babynest, wie die Babyklappe des Wilhelminenspitals genannt wird. Ins Babynest gelangt man durch eine Klapptür, so ist alles, was drinnen passiert, sichtgeschützt.

"Es funktioniert so: Sobald die Klappe aufgeht, geht auf der Intensivstation ein akustischer Alarm los und wir sehen dann am Monitor, ob ein Baby ins Bettchen gelegt wird oder ob es ein Fehlalarm ist. Wir können dann gleich beurteilen, wie es dem Kind geht", erklärt Dr. Petra Krenn-Maritz. Es sind keine Kameras installiert, die Person, die das Baby hinbringt, wird nicht gefilmt. Videoüberwacht wird nur das Wärmebett, in welches das Kind durch eine Klappe gelegt wird.

Spätere Kontaktaufnahme möglich

"Das Bettchen wird regelmäßig gemacht und kontrolliert", so Dr. Petra Krenn-Maritz. Es befinden sich darin außerdem Kuverts in verschiedenen Sprachen, die mit einem Code versehen sind. Wenn die Mütter wissen wollen, wie es dem Kind geht, können sie anrufen. Unter Nennung dieses Codes bekommen sie Auskunft.

Auch wenn die Mütter meist nicht bestrebt sind, ihre Kinder wieder zurückzunehmen, rufen sie doch häufig auf der Station für Neugeborene bei Dr. Petra Krenn-Maritz an, um sich nach dem Wohlergehen ihres Kindes zu erkundigen. Ärzte, Schwestern und Pflegepersonal sind dort immer in Bereitschaft, um sich um einen Neuankömmling liebevoll zu kümmern.

Fast immer sind die Babys, die am Wilhelminenspital abgegeben werden, sehr gut versorgt. Sie sind gewaschen, den Temperaturen entsprechend angezogen und gut abgenabelt. Nur sehr selten kommt es vor, dass sich die Säuglinge in einem schlechteren Zustand befinden.

Rechtliche Situation in der EU unterschiedlich

Auch in Deutschland wurden seit dem Jahr 2000 an die hundert Babyklappen eingerichtet. Die Reaktionen darauf sind nicht nur positiv. Der Deutsche Ethikrat etwa sieht in diesem System eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, also des Rechts des Kindes, etwas über seine Herkunft zu erfahren.

Nicht in allen EU Staaten ist die rechtliche Situation gleich. In Großbritannien zum Beispiel gibt es keine Babyklappen. Eine Mutter, die ein Kind aussetzt, kann dort mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.

Text: Sarah Binder, Claudia Gschweitl für "Radiodoktor - das Ö1 Gesundheitsmagazin"