Nachruf auf Hildegard Absalon

Die bildende Künstlerin Hildegard Absalon ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 18. Februar kurz vor ihrem 82. Geburtstag verstorben. Absalon war hierzulande einem Kennerpublikum vertraut, aber insgesamt nicht ihrem Rang entsprechend bekannt.

Zum Teil liegt das an ihrem vergleichsweise schmalen Werk. Denn sie gehörte zur seltenen Spezies der Gobelin- oder Tapisserieweberinnen - und für die Anfertigung einer Tapisserie braucht man rund ein Jahr.

Kulturjournal, 28.2.2017

Hildegard Absalon lehrte an der Hochschule für Angewandte Kunst. Zu ihren Fans gehörte der international prominente Kurator und Kunstverleger Johannes Gachnang, der sie seinerzeit unter anderem in der Schau "Chaos, Wahnsinn" in der Kunsthalle Krems ausgestellt hat.

Ein Engel in Zwangsjacke

Aus einem zweiteiligen Paravent wächst auf der linken Seite halbplastisch, als textiles Relief, ein langer Engelsflügel hervor, mit enorm seidigen Stellen als wären es Daunen. Aber der vorgestellte Engel hinter dem Paravent hat noch etwas anderes abgelegt und über die rechte Seite geworfen: eine Zwangsjacke. Beim Näherkommen merkt man, dass auch die Zwangsjacke täuschend echt durch die leicht erhabene Webetextur dargestellt wird. Ein nackter Engel hinter einem Paravent, der die Flügel, aber auch eine Zwangsjacke abgelegt hat - so mag man assoziieren.

Ein anderer Gobelin zeigt die Künstlerin selbst in der Rolle der Penelope, die gemäß dem Mythos am Webstuhl zehn Jahre lang auf ihren Gatten Odysseus wartet, ohne dass ihr - buchstäblich - der Geduldsfaden reißt. Hildegard Absalon: "Generell ist ein Schicksal der Frauen das Warten, oder? Auf ihn, meistens. Kommt er heute nach Hause? Kommt er nicht? Oder wenn er auf Reisen ist? Oder kommt er überhaupt wieder?"

Kettfäden und ein Foto

Die sitzende Penelope wiederholt sich drei Mal, perspektivisch versetzt wie in einer Spiegelgalerie. Nur dass Penelope 1 noch keinen Oberkörper hat, und Penelope 2 noch kopflos ist. Über diesen fragmentarischen Körpern blieben die weißlichen senkrechten Kettfäden leer stehen; ebenso die so genannten "Flinten", die Holzspindeln, mit denen der Schuss durch die Kette gezogen wird.

So und auf viele andere Arten hat Hildegard Absalon in allen ihren Werken auch ihr Medium selbst thematisiert, die Gobelinweberei. Und die imaginative Kraft, die es braucht, ein Bild mit einer derartigen Langsamkeit, innerhalb etwa eines Jahres, zu modellieren. Aus einer komplexen Vielheit an selbst gefärbten Fäden in hunderten Nuancen.

Vorreiterin der fotorealistischen Malerei

Das Wichtigste sei die Vorstellungskraft, sagte die Künstlerin. "Ohne das geht’s nicht. Man hat wirklich nichts da außer den Kettfäden und dahinter ein Foto, aber das ist eher nur dazu da, dass man die Umrisse hat."

Hildegard Absalon aber begann in den 1980ern ihre nahezu fotorealistische Gobelins zu weben. Damit lag sie in der Wahl der Mittel weit vorn - nämlich um Jahre vor der breiten Welle fotorealistischer Malerei. Aber im Kunstbetrieb wird man mit einem textilen Medium nicht immer für voll genommen. Und in der Textilkunstszene machte man sich zumindest damals mit figurativen Sujets geradezu verdächtig.

"Vor allem die Weber, die abstrakt-Weber, die haben vorgegeben, was Gobelinweben ist", so die Künstlerin. "Ich bin eigentlich nie zu Textilausstellungen eingeladen. Weil - das tut man nicht."

Kommilitonin von Valie Export

Hildegard Absalon besuchte die Wiener Textilfachschule, übrigens zur selben Zeit wie Valie Export. An der Akademie-Klasse von Albert Paris Gütersloh, wo sie studierte, wurde auch Tapisserie unterrichtet.

Zwei kleine Kinder und eine Scheidung später war sie froh, mit ihrer ausgefeilten Webetechnik Geld verdienen zu können. Und zwar indem sie Entwürfe von Friedensreich Hundertwasser umsetzte, insgesamt an die 25. Und einzelne weitere von Maria Lassnig oder Günter Brus. Erst ab 1982 begann sie, fast 30 Jahre lang nur mehr eigene Entwürfe zu realisieren. Geblieben ist ein kleines Werk aus großen Würfen.