Ella, Apollo & Marilyn

100. Geburtstag von Ella Fitzgerald

Lang bevor Castingshows die TV-Kanäle füllten, gab es im New Yorker Stadtteil Harlem den Apollo-Theater-Talentwettbewerb. Eine der ersten Gewinnerinnen im Gründungsjahr 1934 war eine 17-jährige Tänzerin, die sich spontan für das Singen entschied und den Hauptpreis von nur 25 US-Dollar mit nach Hause nahm. Ihr Name: Ella Fitzgerald.

Ella Fitzgerald

Ella Fitzgerald, 1952

AP

Überraschungserfolg "A-Tisket A-Tasket"

Die Entwicklung von Ellas Mädchenstimme bis zur First Lady of Song sollte noch einige Jahre dauern. Als 21-Jährige landet sie mit "A-Tisket A-Tasket" einen Überraschungserfolg in der Hitparade. Jahre später singt sie den Song im Film "Ride ’Em Cowboy" in einer Szene, die heute seltsam anmutet: Die Afroamerikanerin Ella Fitzgerald muss von der letzten Sitzbank aus singen, während ihr weißes Publikum in den vorderen Reihen begeistert mitschunkelt.

Louis Armstrong und Ella Fitzgerald, 1971

Louis Armstrong und Ella Fitzgerald, 1971

AP

Fürsprache von Marilyn Monroe

Der Manager Norman Granz nimmt sie unter Vertrag und bemüht sich - nicht immer mit Erfolg - um gerechte Verträge. In einem der bekanntesten Nachtclubs der 1950er Jahre, dem Mocambo in Hollywood, darf Fitzgerald erst nach prominenter Fürsprache auftreten: "Marilyn Monroe rief den Besitzer des Mocambo an und sagte ihm, dass sie möchte, dass Ella Fitzgerald dort gebucht wird. Sie reservierte jeden Abend einen Tisch in der ersten Reihe und ließ anordnen, dass man Pressefotografen informiert. Danach musste ich nie mehr in kleinen Clubs spielen", so Fitzgerald.

Talent, Hartnäckigkeit und ein dichter Tourneeplan - oft war sie 51 Wochen im Jahr für Norman Granz auf Tour - machten sie zur Stimme der goldenen Ära des klassischen Jazz.

Stimme passt sich dem Leben an

Aber was war es denn, das Ella Fitzgerald stimmlich so auszeichnete? Der unverwechselbare Sound? Die Natürlichkeit in der Interpretation? Die Leichtigkeit beim Scatten, dem instrumentalen Einsatz der Stimme mit Nonsens-Silben? Die ungekünstelte Bühnenpräsenz? All das und vieles mehr. Ihre Stimme veränderte sich im Laufe ihrer Karriere, das Instrument reifte, es passte sich dem Leben der Sängerin an. Als Abbild der Seele spiegelte sie Freude, Leid, Liebe, Karrieredruck, Einsamkeit und leider auch Krankheit wider. Die Fähigkeit, sich in unterschiedlichen musikalischen Stilen zu behaupten, war Beweis ihres immensen Talents.

Von kindlich natürlich bis zum Scat-Gesang

Das Vibrato jugendlich flink, ihre Stimme unbeschwert kindlich und natürlich, so klang Fitzgerald in den Dreißigern. Geradezu revolutionär sollte dann aber ihr Scat-Gesang werden, bei dem sie die solistischen Linien der Instrumentalisten der Bebop-Ära imitierte und die einzelnen Töne mit inhaltslosen Silben, die dem Klang des jeweiligen Instruments entsprachen, besetzte. Dabei bewegte sie sich treffsicher in halsbrecherischem Tempo durch die Akkordverbindungen.

Als sich ihr Gesundheitszustand aufgrund von Diabetes verschlechterte, veränderte sich auch das Timbre: das Vibrato verlangsamt, der Hub größer, der Klang der Stimme schwerer und träger, aber nach wie vor einzigartig und unverwechselbar.

Fast 60 Jahre lang stand die herausragende Künstlerin auf der Bühne und überwältigte ihr Publikum mit der schieren Lebensfreude und Menschlichkeit, die durch ihre Musik hindurchschimmern. Am 25. April hätte Ella Fitzgerald ihren 100. Geburtstag gefeiert, und die "Ö1 Jazznacht" würdigt die unvergessene Vokalvirtuosin mit Livemusik, Gästen und historischen Aufnahmen.