Kirsten Dunst und Colin Farrell

2017 FOCUS FEATURES LLC

Film

Coppolas Remake "The Beguiled": Genussvolle Demontage eines Helden

Einen neuen, weiblichen Blick auf eine alte Geschichte wollte Sofia Coppola mit ihrem Remake "Die Verführten" auf die Leinwand bringen. Sie entstaubte und entkernte Thomas Cullinans Romanvorlage aus dem Jahr 1966 und noch mehr Don Siegels Verfilmung von 1971 (damals mit Clint Eastwood in der männlichen Hauptrolle) um mit Colin Farrell, Kirsten Dunst und Nicole Kidman ganz zur zwischenmenschlichen Essenz der Geschichte vorzudringen. In Cannes erhielt sie dafür den Regiepreis.

Mittagsjournal, 27.6.2017

Judith Hoffmann

Ein filmisches Verführspiel

Wer hier wen verführt, bleibt von Anfang bis zum Ende ein lustvolles Rätsel. Und das ist nur einer der zahlreichen Unterschiede zwischen Coppolas Neuinterpretation und der Romanvorlage. Damals nämlich, so scheint es, war die Welt zwar nicht in Ordnung, aber zumindest verlief sie in geordneten Bahnen, was die Rollen von Mann und Frau, Eroberer und Eroberter angeht.

Nicole Kidman als Miss Martha und Colin Farrell als John

2017 FOCUS FEATURES LLC

Kulturjournal, 27.6.2017

Sofia Coppola im Interview

Lust, Begehren und Eifersucht

Bei Coppola ist zumindest die äußere Handlung dieselbe geblieben: Mitten im amerikanischen Sezessionskrieg landet der New Yorker Soldat John McBurney (Colin Farrell) schwer verwundet in einem Wald nahe einem Mädcheninternat im feindlichen Virginia. Eines der Mädchen findet ihn, schleppt ihn zu Miss Marthas (Nicole Kidman) Internat, und man beschließt, ihn heimlich gesund zu pflegen.

Der Weg der Genesung ist gepflastert mit Schmeicheleien und Annäherungsversuchen der ältesten Schülerin (Elle Fanning) ebenso wie der Lehrerin Edwina (Kirsten Dunst) und der Direktorin selbst. Ein Netz aus Intrigen, Eifersucht und Rache spinnt sich immer enger und mündet schließlich im tragischen Finale.

Aber während Clint Eastwood vor fast 50 Jahren noch den tapferen Helden mimte, der eben tat, was ihm seine Männlichkeit befahl und schließlich unschuldig zum Opfer der hysterischen Weiber und ihrer Rachegelüste wurde, tut sich Farrells McBurney schwer, die resolute Damenmannschaft zu durchschauen. Seine Flirtversuche sind in ihrer Plumpheit bald entlarvt, und bei allem Begehren wird er regelmäßig zum Stichwortgeber der Protagonistinnen degradiert.

Präzise Bildsprache in makelloser Ästhetik

Es habe sie gereizt, noch einmal zu dieser männlichen Geschichte zurückzukehren und sie aus der weiblichen Perspektive neu zu erzählen, sagt Regisseurin Sofia Coppola. Und dieser weibliche Blick ist ein erfrischend pfiffiger. Eine fast unmerklich gehobene Augenbraue Nicole Kidmans oder ein kurzer Wimpernschlag von Kirsten Dunst genügt, um das tragische Unbehagen, das der Handlung zugrunde liegt, immer wieder lustvoll mit Witz und Situationskomik zu durchkreuzen.

Mit Charme und Verve bewegen sich die Protagonistinnen durch dieses Spiel um Träume und Begehren, Intrigen und Eifersucht, die Coppola in ihrer gewohnt akkuraten Ästhetik auf der Bild- und Tonebene inszeniert. Gedreht auf 35 Millimeter, sind die pointierten Dialoge eingebettet in ein Meer aus Nebelschwaden, Kerzenschein und bezaubernden Lichtstimmungen, die Coppola gemeinsam mit ihrem Kameramann Szene für Szene kreierte. Jede Einstellung wird so zum Gemälde, in dem Coppola ihre Figuren sorgfältig positioniert wie in einem Tableau vivant.

https://www.instagram.com/p/BVS8DdqFIIw/" style=" color:#c9c8cd; font-family:Arial,sans-serif; font-size:14px; font-style:normal; font-weight:normal; line-height:17px; text-decoration:none;" target="_blank">Ein Beitrag geteilt von The Beguiled (@beguiledmovie) am


Frauensolidarität vor Märchenprinz

Coppola verzichtet auf zahlreiche Handlungsstränge des Originals und lässt auch das Kriegsgeschehen buchstäblich draußen vor den Pforten dieses Internats, das sich wie ein verwunschenes Märchenschloss hinter wildromantisch wuchernden Hecken vor der Welt versteckt und gleichzeitig zum Gefängnis wird. "Nichts wie weit weg von hier" lautet Edwinas sehnlichster Wunsch, den der vermeintliche Märchenprinz ihr zu erfüllen verspricht.

Allein, es wird nicht so weit kommen. Die einsamen, verführten Südstaatenfrauen des Jahres 2017 durchschauen ihre Lage pointierter als ihre Leidensgenossinnen der 60er und 70er Jahre. Am Ende steht die Frauensolidarität über der Prinzessinnenfantasie, und die Rache am feindlichen Eindringling wird nicht mehr aus Panik und Verzweiflung, sondern mit Kalkül und Verve durchgezogen. Ein schöner, vergnüglicher und kurzweiliger Streifen, wenngleich ihm bei aller Leichtigkeit ein wenig der Tiefgang abhandenkommt.

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