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Dimensionen
Bettgeschichten
Rund ein Drittel unseres Lebens verbringen wir im Bett. Schlafend oder sonst wie. Ein fünfundsiebzigjähriger Mensch hat also rund ein Viertel Jahrhundert im Bett verbracht. Dennoch wird in der Regel dem Bett kaum Beachtung geschenkt.
3. August 2017, 02:00
Ein Möbel, in dem nicht nur geschlafen wird
Dimensionen (04 07 2017)
Es gilt als funktionaler Bestandteil der Wohnung, wie auch der Tisch, der Kühlschrank oder der Fernsehapparat. Doch das Bett ist mehr - eine Konstante, die den Menschen sein ganzes Leben lang begleitet.
Das Bett ist Schauplatz der bedeutenden Dinge unseres Lebens
Es ist der Raum des Krankseins und Genesens und die meisten tun hier ihre letzten Atemzüge. Das Bett ist Zeuge von Erschöpfung, Verzweiflung, Geborgenheit und Leidenschaft – und dient immer mehr als multifunktionaler Rückzugsraum vor einer (über)fordernden Öffentlichkeit. Hier kann in Ruhe und ganz für sich gearbeitet, gegessen und mit der Welt kommuniziert werden.
Frühstück und Fernsehen im Bett
Das Frühstück im Bett gehört für viele zum Sonntagsritual. Oder die Polsterschlacht. Tablet oder Smartphone sind schon zu Fixpunkten geworden, wenn man sich gemütlich im Bett liegend durch das Internet bewegt. Nicht nur in der Nacht, sondern auch während des Tages.
Fernsehen im Bett ist ein Klassiker. Doch ist Schlafen mit Abstand das häufigste, was man im Bett tut.
Der Wert des Bettes
In Verlassenschaften konnte ein Bett etwa ein Drittel der gesamten Erbmasse ausmachen.

Sanitätsbett der Feuerwehr, Steirisches Feuerwehrmuseum, Groß St. Florian
UNIVERSAL JOANNEUM
Das eigene Bett – der absolute Luxus
Was heute als selbstverständlich gilt, ein eigenes Bett zu haben, war über Jahrhunderte die Ausnahme. Lange war es üblich, gemeinsam im Bett zu liegen. Und das nicht nur aus sexuellen Gründen. Ein Bett war teuer, der Platz in den Häusern in der Regel beengt.
Besonders in ländlichen Gebieten dauerte es sehr lange bis zum ersten Schlafzimmer. Aber auch in den gründerzeitlichen Zinshäusern in den Städten. Ein eigenes Bett war absoluter Luxus. Mit Betten im heutigen Sinn hätten die Schlafmöglichkeiten wenig zu tun gehabt. Es waren eher Strohsäcke in billigen Holzkonstruktionen. Häufig musste es auch ohne Bett gehen. Man schlief einfach auf der Bank in der Stube oder im Stall.
Das adelige Bett
Im 20. Jahrhundert kamen die ersten Schlafzimmer auf, mit einem richtigen Bett mit Matratze und keinem Strohsack mehr. Das war für Arbeiter zuvor unvorstellbar. Im Adel seit Jahrhunderten jedoch selbstverständlich.
Der Adel leistete sich aufwendige Paradebetten mit den feinsten Materialien. Es gab auch Betten, in denen nie geschlafen wurde. Vor ihnen wurden Gäste empfangen. Das Bett war Kulisse und Repräsentationsobjekt. Mit Decken und Pölstern aus feinstem Rosshaar.
Der Pyjama
Erst im späten 19. Jahrhundert kam der Pyjama in Mode. Lange Zeit gab es für die meisten kein eigenes Nachtgewand. Man schlief nackt oder in den Gewändern, die man auch während des Tages trug.
Andere Länder – andere Bettdecken
Es gebe einen Kulturkampf zwischen den Daunendeckenländern und den Wolldeckenländern, sagt die Ausstellungskuratorin Eva Kreissl. Daunendecken sind in Mittel- und Osteuropa üblich, sonst, im Süden und im Norden Europas, schlief man einfach unter einer Wolldecke. Bis heute gibt es diese regionalen Unterschiede - trotz Globalisierung.
Auch die Polstergröße ist weltweit unterschiedlich. In Österreich gilt als Maß 50 x 80 cm oder 60 x 90 cm, in Deutschland sind die Pölster quadratisch 80 x 80 cm oder 90 x 90 cm, in England länglich, wiederum anders in Frankreich. Doch langsam verschwinden auch diese regionalen Spezifika.
Aus den USA kommt das moderne Luxusbett schlechthin. Fast so teuer wie ein Mittelklassewagen. Boxspringbetten zeichnen sich durch Federkernmatratzen und zusätzliche Einlagen und Auflagen aus. Preise bis zu 30. 000 Euro sind keine Seltenheit.

Erotische Figur, Privatbesitz
EVA KREISSL
And finally: Sex
Mit oder ohne Bett. Was im Schlaflager neben Schlafen noch passiert, beflügelt seit jeher die Fantasie der Menschen. Damit wären wir - beim Sex. Bis in die 1960er Jahre war das Bett engste Intimsphäre und hoch tabuisiert. Was um 1900 nicht in der Öffentlichkeit gezeigt wurde, kann man in der Ausstellung im Grazer Volkskundemuseum sehen.
Die sexuelle Revolution in den 1960er Jahren machte aus dem Bett, und was darin passieren kann, ein politisches Statement. Das Intime wurde öffentlich. Das Jahr 1956 schließlich war ein Schlüsseljahr für erotische Nachtwäsche.
Der Auslöser war ein Film: "Baby Doll" aus dem Jahr 1956. Im Film trägt die Hauptdarstellerin die meiste Zeit ein kurzes Nachthemdchen, das als "Baby Doll" von der Wäscheindustrie aufgegriffen wurde. Das war der Beginn der erotischen Nachtwäsche für alle Schichten.
Service
Grazer Volkskundemusem - Im Bett