Karin Peschka

APA/HELMUT FOHRINGER

Neuerscheinung

"Autolyse Wien" Erzählungen von Karin Peschka

Mit ihrem postapokalyptischen Stadtporträt von Wien gewann die Autorin Karin Peschka im Juli den Publikumspreis bei den diesjährigen Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Nun sind die Erzählungen unter dem Titel "Autolyse Wien - Geschichten vom Ende" im erschienen.

Morgenjournal, 18.8.2017

Judith Hoffmann

Was wäre wenn?

"Autolyse" - so nennt man die Selbstauflösung abgestorbener Zellen mittels Enzyme. Karin Peschka stieß auf den Begriff, als sie eine Dokumentation über den Zerfallsprozess toter Körper sah und ließ sich von ihm zum aktuellen Erzählband inspirieren, an dessen Anfang wie immer eine Reihe von Bildern im Kopf stand: Unterschiedliche Stadtteile, durch eine nicht näher benannte und auch nicht unbedingt nennenswerte, weil irrelevante Katastrophe gleichsam ausgelöscht. "Man hört das ja immer nur in Erzählungen von früher, als Wien in Schutt und Asche lag, oder wir sehen es jetzt in entfernten Ländern. Ich wollte wissen, was wäre, wenn uns das passiert", so die Autorin.

Buchcover "Autolyse Wien"

Otto Müller Verlag

Der Erzählband "Autolyse Wien - Geschichten vom Ende" von Karin Peschka ist im Otto Müller Verlag erschienen.

Alltag nach der Auslöschung

In die zahlreichen Flecken verbrannter Erde und im Boden versunkenen Betons hinein setzt Peschka ihre Protagonisten und lässt sie aus den Hinterlassenschaften der Katastrophe Mut zu neuem Leben oder auch Lebensmüdigkeit schöpfen. Es sind jeweils nur kurze, wenige Seiten umfassende Momentaufnahmen, die sie aus der Position der nüchternen Beobachterin von außen schildert - ein kurzes Aufflackern und gleich wieder Abebben, ein rasches Eintauchen in eine Szene, um kurz darauf wieder daraus zu verschwinden und den nächsten postapokalyptischen Schauplatz aufzusuchen.

Allen gemeinsam ist die bewusst reduzierte Sprache und das bewusste Weglassen von Emotionen, "weil die Leserinnen und Leser schon genug Bilder in sich haben, sodass ich nicht noch sagen muss, welche Empfindungen sie bei so einem großen Thema haben müssen, wenn es um Leben und Tod geht".

Erzählungen als Bausatz

Insgesamt 41 Kurzgeschichten umfasst der Band, Alle Geschichten beginnen mit der Formel "Wien? Ein …" und zusammen ergeben sie am Ende ein großes Ganzes, das sich nicht wie ein Puzzle zusammenfügt, sondern "eher wie ein Bausatz", so die Autorin. Unterteilt sind die Kurzgeschichten in drei Abschnitte mit jeweils drei unterschiedlichen Perspektiven. An den ersten großen Abschnitt kleinteiliger Beobachtungen verschiedenster Figuren reihen sich sieben Erzählungen aus der Ich-Perspektive, dem Peschka die abschließende dreiteilige Geschichte vom "Wiener Kindl" anfügte.

Publikumspreis als Überraschung

Aus diesem letzten Abschnitt las sie auch bei den diesjährigen Tagen der deutschsprachigen Literatur und gewann damit - für viele, auch für sie, überraschend - den Publikumspreis. Karin Peschka: "Ich glaube, dass es wichtig war für mich, gerade diesen Preis zu bekommen. Ich nehme ihn gerne an als schöne Bestätigung von den Leuten, die lesen. " Mit dem Preis verbunden ist ein Aufenthalt als Stadtschreiberin von Klagenfurt im kommenden Jahr.

Service

Karin Peschka, "Autolyse Wien - Geschichten vom Ende", Erzählungen, Otto Müller Verlag
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