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ORF/JOSEPH SCHIMMER

Prognosen und Utopien

Zeitreise Wissenschaft

Zeitreisen sind ein alter Traum der Menschheit. So einfach es in der Fiktion erscheinen mag: Eine Apparatur, die es uns physisch ermöglichen würde, in die Vergangenheit zurückzukehren oder die Zukunft auszukundschaften, ist noch ebenso weit von einer Realisierung entfernt wie viele andere wissenschaftliche Utopien. Die Ö1 Wissenschaftsredaktion unternimmt daher eine mediale Zeitreise der anderen Art.

Am Beginn: Ein Zeitsprung

Wo standen vor 50 Jahren die wissenschaftlichen Disziplinen, und wie wurde über Forschung berichtet? Welche Fragen standen im Mittelpunkt? Was wurde unter Fortschritt und Innovation verstanden? Und was waren die wichtigsten wissenschaftlichen Durchbrüche und Errungenschaften? Vor allem aber: Welche Prognosen, Erwartungen und Verheißungen wurden von der Wissenschaft vermittelt, und was davon ist 50 Jahre danach geblieben?

Schubumkehr

Nach dieser in vielen Aspekten überraschenden, erhellenden, durchaus auch erheiternden Zwischenbilanz des gesicherten Wissens und lehrreicher Irrtümer wird die Zeitreise in die Zukunft angetreten: Wie könnte die durch Wissenschaft, Forschung und Technik geprägte Welt in 50 Jahren aussehen? Welche Utopien werden heute dafür entworfen? Und welche Dystopien stehen im Raum?

Herausforderungen der Zukunft

Orientierungspunkte für diese Zeitreise in Vergangenheit und Zukunft sind aktuelle Fragestellungen, Trends und Problembefunde: vom Klimawandel über Gentechnik und personalisierte Medizin bis zur umfassenden digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre Auslöser und Wendepunkte, Vorstufen und Vorläufer, Meilensteine und Protagonist/innen sollen in einer Re-Lektüre, einer Wieder-Entdeckung von Ereignissen, Schauplätzen, Aufbrüchen, Diskursen und Publikationen neu bewertet werden. Das soll Aufschlüsse darüber geben, wie sich nicht nur die wissenschaftlich geprägte Welt verändert hat, sondern auch unser Wissen darüber. Und damit verbunden stellt sich die Schlüsselfrage, welche Art von wissenschaftlicher Bildung für die Bewältigung der großen Zukunftsfragen in der digitalen Gesellschaft gebraucht wird.

Die großen Fragen

Wird das Rätsel von Dunkler Materie und Dunkler Energie in 50 Jahren gelöst sein und eine "zweite Erde" nicht nur utopische Fantasien bewegen? Wird es gelingen, die richtigen Lehren aus Umwelt- und Technikkatastrophen zu ziehen, um dem Planeten weitere "Schockprogramme" zu ersparen? Wird eine neue Sicht auf Geschlechterstereotype den Pluralismus einer "offenen Gesellschaft" stärken? Werden personalisierte Krebstherapien den "onkologischen Werkzeugkasten" so erweitern, dass der vor 50 Jahren als sicher propagierte Sieg über den Krebs im Jahr 2067 erreicht sein wird? Werden Verfahren der synthetischen Biologie und Genchirurgie dazu führen, ganze Genome künstlich zu kreieren und die Evolution selbst in die Hand zu nehmen? Wird der Mensch in der Lage sein, sein eigenes Gehirn, das komplexeste aller erforschten Systeme, in Modellen zu verstehen, die über Computersimulationen hinausgehen? Wird es neue Robotergenerationen geben, mit denen wir kooperieren, ohne fürchten zu müssen, dass eines Tages die Menschen den überlegenen Maschinen dienen? Wird der Traum vom Jungbrunnen eine elitäre Medizin der Wunscherfüllung vorantreiben oder eine Altersforschung stützen, die mehr Lebensqualität für alle bringt?

Den Fortschritt verstehen

Die "Zeitreise Wissenschaft" soll verstehen helfen, was nachhaltiger Fortschritt ist - und was nicht. Viele der Zukunftsszenarien vor 50 Jahren waren aus dem ungebrochenen Vertrauen in einen grenzenlosen technischen Fortschritt abgeleitet, der auch die Konkurrenz der politischen Systeme im Kalten Krieg anfeuerte.

The Year 2000

Herman Kahn, Futurologe und Vertreter der atomaren Abschreckung, entwarf in seinem 1967 publizierten Buch The Year 2000 das Bild einer Zukunft im Zeichen neuer (Atom-)Technologien. Er sah dabei aber Energiekrise, Umweltbewegung und den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht voraus. Künstliche Monde auf der Nachtseite der Erde und auch die als "sehr wahrscheinlich" eingestufte "Nutzung nuklearer Sprengsätze im Berg- und Tiefbau" blieben der Welt glücklicherweise erspart. Der Traum einer prognostizierbaren Zukunft begann Anfang der 1970er Jahre zu bröckeln, als die "Grenzen des Wachstums" sichtbar wurden. Mit den Apollo-Missionen wurden Bilder vom verletzlichen "blauen Planeten" zur Ikone und das "Raumschiff Erde" ein geflügeltes Wort.
Ein zunehmendes Bewusstsein für die Störanfälligkeit komplexer Wechselwirkungen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Umwelt ließ das naive Vertrauen in große Prognosen und Steuerungskonzepte schwinden. Mit den Verheißungen von Big Data als neuer Kristallkugel für den Blick in die Zukunft könnte es wieder zurückkehren. Gerade durch die von Wissenschaft und Technologie angetriebene Dynamik der digitalen Welt wird es aber paradoxerweise immer schwerer, die Zukunft zu planen. Oder, wie der Computerpionier Alan Kay meinte:

Es ist einfacher, die Zukunft zu erfinden, als sie vorherzusehen.

Die "Zeitreise Wissenschaft" soll Bewusstsein für das Spannungsfeld von Aktualität und längerfristigen Entwicklungen schaffen, neue Verbindungen zwischen Forschungsfragen und aktuellen gesellschaftlichen Diskursen herstellen, Verständnis für Wissenschaft und Technik fördern, aber auch einen Bausatz für Wissenschaftskritik bereitstellen, indem spekulative Hypes relativiert und sogenannte Durchbrüche in einen größeren zeitlichen Rahmen eingeordnet werden. Vor allem aber soll sie eines: spannende Wissenschaftsgeschichten erzählen, auf dieser Reise durch die Zeit.

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