Das "Mahnmal Aspangbahnhof"

APA/HERBERT NEUBAUER

Niemals vergessen

NS-Mahnmal Aspangbahnhof wurde eröffnet

Dort, wo nach 1939 der Massenmord an tausenden Menschen seinen Ausgang genommen hat, wurde heute ein Denkmal eröffnet - ein Mahnmal am ehemaligen Aspangbahnhof im dritten Wiener Gemeindebezirk.

Kulturjournal, 7.9.2017

Anna Soucek

47.000 Menschen deportiert

Im dritten Bezirk, nahe der Innenstadt und in Nähe des Hauptbahnhofes, ist in den letzten Jahren ein neues Stadtviertel entstanden - auf dem Gelände des Aspangbahnhofes. Dass von diesem Bahnhof zwischen 1939 und 1942 mehr als 47.000 Menschen in nationalsozialistische Vernichtungslager im Osten deportiert wurden, das schien lange Zeit vergessen.

Seit heute erinnert ein Mahnmal im Leon-Zelman-Park an die Opfer der Deportationen. Auf einer Länge von 30 Metern sieht man da, parallel zur Aspangstraße, zwei zusammenlaufende Schienen, die in einem dunklen hohlen Betonblock enden; außerdem wurde einem bereits bestehenden Gedenkstein eine Informationstafel über die Ausmaße der Deportationen beigefügt. Gestaltet wurde das Mahnmal vom Künstlerduo PRINZpod (Brigitte Prinzgau und Wolfgang Podgorschek) umgesetzt von KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien.

In den 1970er Jahren abgerissen

Mit dem 1938 von Samuel Barber komponierten Adagio für Streicher begann die Zeremonie zur Eröffnung des Mahnmals Aspangbahnhof, zu der Politikerinnen und Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde gekommen waren, aber auch einige Anrainerinnen und Zeitzeugen der Deportationen vom Aspangbahnhof während der Jahre 1939 und 1941 bis '42.

Vor den Augen der Bevölkerung verließen damals 47 Transporte mit jeweils etwa 1.000 jüdischen Gefangenen den Bahnhof, der in den 1970er Jahren schließlich abgerissen wurde. In den folgenden Jahrzehnten stand das Areal großteils brach - nichts erinnerte mehr an die historische Dimension der Aspanggründe. Seitdem hier ein neues Wohngebiet geplant wurde, rang man um die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der Transporte.

Schienen enden in Betonblock

Der Historiker und langjährige Journalist Rudolf Gelbard wurde 1942 als Zwölfjähriger von einem Sammellager in der Kleinen Sperlgasse zum Aspangbahnhof geführt - bereits der Weg dorthin durch die Stadt sei schrecklich gewesen, die Häftlinge seien verhöhnt und beschimpft worden. 19 seiner Familienmitglieder wurden im Holocaust ermordet. Er ist einer der wenigen Jugendlichen, die das KZ Theresienstadt überlebten.

Über die Zahl der Transporte, der verschleppten Juden und Jüdinnen und der Überlebenden gibt es genaue Angaben. Diese Zahlen sind dem neuen Mahnmal eingeschrieben: 47.035 Deportierte und 1.073 Überlebende. Die dreißig Meter langen Schienen enden in einem hohlen, dunklen Betonblock, der für das Verschwinden und den Tod stehen soll.

Das "Mahnmal Aspangbahnhof"

APA/HERBERT NEUBAUER

In den leicht hügelig angelegten Leon-Zelman-Park fügt sich das Mahnmal elegant ein - es ist zwar groß und massiv, aber wirkt durch die geringe Höhe recht unaufdringlich. Da es sich um ein Wohngebiet handelt, ist man um eine zurückhaltende, nicht bedrohliche Lösung bemüht gewesen. Diese sah die Jury des geladenen Wettbewerbs in dem von PRINZpod entwickelten Mahnmal, sagt die Geschäftsführerin von Kunst im öffentlichen Raum Wien, Martina Taig.

Künstlerduo Prinzgau/Podgorschek

Brigitte Prinzgau arbeitet seit 1984 gemeinsam mit Wolfgang Podgorschek zusammen. Ihre bekannteste Arbeit ist ebenfalls für den öffentlichen Raum entstanden - es ist ein in die Landschaft gelegtes Stück Autobahn, das man wie eine archäologische Grabungsstätte betrachten kann. "Die Entdeckung der Korridore" heißt diese aufsehenerregende Arbeit bei Paasdorf in Niederösterreich, und sie hat formal-ästhetische Parallelen zum Mahnmal in Wien. Auch dieser Entwurf nimmt die Topographie der Umgebung auf und ist zugleich sehr präsent.

"Da Worte nicht zu finden sind, um diese schrecklichen Ereignisse zu erfassen, haben wir mit Materialien gearbeitet", meint Wolfgang Podgorschek. Das Material, das sich für den Außenraum als beste Wahl herausstellte, war Beton. Das Objekt wurde vor Ort gegossen und für die verschiedenen Elemente wurden unterschiedliche Betonarten verwendet.

"Worte sind nicht zu finden"

Eine quer über die Schienen verlaufende Rampe war wegen der Wegführung im Park erforderlich. Außerdem kann sie als Hinweis auf die Eisenbahnrampe in Auschwitz-Birkenau gesehen werden. An dieser Rampe mussten sich ankommende Häftlinge zur sogenannten Selektion aufstellen; sie wurden von einem SS-Arzt in "Arbeitsfähige" und "Arbeitsunfähige" geteilt. Das ist eines der verborgenen Zitate, die das Mahnmal Aspangbahnhof enthält - doch es handelt sich bei dem Werk keineswegs um ein verschlüsseltes Kunstwerk.

Die Informationen über die Anzahl der Züge, die Zahl der Deportierten und die im Verhältnis dazu geringe Zahl der Überlebenden sind gut lesbar ein Bestandteil des Mahnmals. Genauere Informationen über die Deportation vom Aspangbahnhof, sowie eine Landkarte mit den Orten, enthält eine Schautafel, die das neue Mahnmal mit einem bereits bestehenden Gedenkstein verbindet. Dieser ist jedes Jahr am 9. November Treffpunkt für eine Mahnwache und Kundgebung mit dem Aufruf "Niemals vergessen! Nie wieder Faschismus".

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