Sibylle Berg

ORF/MIRELA JASIC

Nicht gut! Nicht wahr! Nicht schön!

Die deutsch-schweizerische Autorin Sibylle Berg gibt diesen Herbst ein Gastspiel in Wien. Gemeinsam mit der Band "Kreisky" hat sie ihr Erfolgsstück "Viel gut essen" für das Rabenhof-Theater adaptiert.

Er ist Mitte 40, Informatiker, geplagt von Abstiegsängsten, Ernährer einer Kernfamilie. Zuerst verlässt ihn die Frau, dann schnappt ihm eine andere Frau den begehrten Job in der Führungsetage weg. Der Gedemütigte findet Trost, wo sich der Hass des anonymen Wutbürgers entlädt. Ist das Netz zum Ventil für jene geworden, die sich offensichtlich betrogen fühlen. Von der so genannten politischen Klasse, oder vom Leben im Allgemeinen?

Der Chor der Abgehängten?

In ihrem Stück „Viel gut essen“ schickt Sibylle Berg die Hassposter und Wutbürger, die Trolle aus den Internetforen auf die Bühne und schafft einen Resonanzraum, der deutlich macht, wie das Heimelige ins Unheimliche kippt. Gemeinsam mit der Band Kreisky hat Berg eine rhythmische Choreographie der Stimmen erarbeitet. Premiere feiert die Produktion am 17. Oktober im Wiener Rabenhof. Hier klagt, schreit und hetzt ein Chor der Abgehängten. Oder doch nicht?

Deutschlands Antwort auf Houellebecq

Verglichen wird sie oft mit Frankreichs Erfolgsautor Michel Houellebecq. Mit ihm teilt sie einen fast barocken Weltekel und einen schonungslosen Blick auf den alternden Körper. Sibylle Bergs Romane sind meist mit philosophischen Fragen unterfüttert und lesen sich streckenweise wie Traktate, in denen Probleme des Lebens im Spätkapitalismus verhandelt werden.

Viele Jahre hat Berg Reisereportagen für Magazine verfasst, darunter auch Reportagen aus Krisengebieten. Sie weilte 1999 zur Zeit der NATO-Bombardements an der kosovarischen Grenze und skizzierte bei dieser Gelegenheit in wenigen Sätzen den Alltag der Kriegsreporter/innen. Von den Orten der großen politischen und geopolitischen Verwerfungen fand Berg schnell zurück in das große Ennui des westeuropäischen Mittelstandes. Im Orientexpress lauscht Sibylle Berg angewidert den "abgenutzten Scherzen" der Reisenden, in Weimar ruht ihr Blick auf den Touristenhorden, die täglich in der Kleinstadt einfallen, um die allerheiligsten Orte der deutschen Geistesgeschichte im Schnelldurchlauf zu besichtigen. Dort, im geschichtsträchtigen Weimar, wurde Sibylle Berg 1962 auch geboren - in der damaligen DDR. 1984 stellte sie einen Ausreiseantrag und verbrachte einige Monate im Auffanglager Berlin-Marienfelde.

Heute lebt Sibylle Berg abwechselnd im gediegenen Zürich, der Stadt ihrer Träume, und in Tel Aviv. Diesen Herbst plant die Autorin ein Gastspiel in Wien. Ihr Erfolgsstück "Viel gut essen" hat Sibylle Berg für den Wiener Rabenhof adaptiert. Mit an Bord: Die "übellaunigste Band der Welt" - auch bekannt unter dem Namen Kreisky. Ein Amoklauf, der um die Reizthemen Homo-Ehe, Migration, Bio-Gemüse, Euro-Krise und Feminismus kreist.

Gestaltung: Christine Scheucher