Shanghai, 1933

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Der Rabbi von Shanghai

Shanghai war in den späten 1930er Jahren oft der einzige Zufluchtsort für Juden, die vor den Nazis flüchten mussten. Die internationale Stadt erlaubte damals die Einreise ohne Visum. Zwischen 1947 und 1949 flohen allerdings die allermeisten Juden auch aus Shanghai, wegen Bürgerkriegs und des neuen kommunistischen Regimes. Doch heute gibt es wieder jüdische Gemeinden, die unter den wachsamen Augen der Regierung ein jüdisches Leben mit koscheren Lebensmitteln und gemeinsam zelebrierten Feiertagen in Shanghai aufbauen.

Vertriebene Menschen jüdischen Glaubens am Bord der SS General Gordon im Jahr 1949. Sie waren auf dem Weg von Shanghai quer durch die USA nach Israel.

Vertriebene Juden am Pier in San Francisco im Jahr 1949. Sie waren auf dem Weg von Shanghai quer durch die USA mit dem Zug, um dann nach Israel per Schiff zu gelangen.

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In den 1990er Jahren begann China sich wieder zu öffnen und Menschen aus aller Welt kamen wieder nach Shanghai. Auch eine kleine jüdische Gemeinde siedelte sich nach und nach an, die sich bald an die chassidisch jüdische Organisation Chabad Lubawitsch, mit der Bitte um einen Rabbi, wandte.

Denkmal im jüdischen Museum Shanghai

Das Denkmal im "Shanghai Jewish Refugees Museum" erinnert an fast 14.000 Menschen jüdischen Glaubens, die im Zweiten Weltkrieg aus Europa nach Shanghai geflohen sind.

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So kam Shalom Greenberg mit seiner Frau Dinie nach China, um zu schauen, wie viel Arbeit erforderlich wäre, um die jüdische Gemeinde vor Ort zu unterstützten. Gab es zum Beispiel schon die Möglichkeit an koscheres Essen und Zutaten zu kommen, oder Gebetsräume, eine Synagoge oder eine Schule für die Kinder?

"Wir sahen, dass es da absolut nichts gab. Und haben uns gesagt - das ist genau wo wir hinwollen!", erzählt Shalom Greenberg, der Mittlerweile seit 1998 der Rabbi von Shanghai ist.

Vorbehalte der Regierung

Das größte Problem war allerdings nicht der Aufbau jüdischen Lebens, sondern die Vorbehalte der Chinesischen Regierung, denn die befürchtete eine Missionstätigkeit des Rabbis. So wurde im bald vorgeworfen er hätte gegen die Auflagen seines Touristenvisums verstoßen und müsse daher das Land verlassen. Er solle vom Ausland aus einen Antrag auf ein Visum für religiöse Arbeit stellen.

"Natürlich hätte ich niemals eine Erlaubnis bekommen als religiöser Anführer nach China zu kommen, und das wussten sie genau", sagt Shalom Greenberg. Daher versuchte der Rabbi Monatelang die offiziellen Stellen zu überzeugen, dass er nur wegen der ausländischen Juden hier wäre.

Wir halten ein Auge offen, und machen eines zu

Schließlich sagten die Behörden zu. Mit einer wohl freundlichen Warnung. Sie erinnerten den Rabbi an ein Chinesische Redeart: Wir halten ein Auge offen, und machen eines zu. "Das sollte bedeuten: Sie sind nicht legal hier mit Ihren religiösen Aktivitäten - also machen wir ein Auge zu. Wir tun so als wüssten wir nichts davon. Aber: wir haben eben auch ein Auge offen, und wissen ganz genau was Sie tun. Und wenn das etwas ist, das wir nicht ausgemacht haben, dann werden wir uns, naja, darum kümmern", erklärt Greenberg.

Daher ist ganz klar wo die Grenzen liegen: Wer an jüdischen Veranstaltungen teilnehmen möchte, braucht einen ausländischen Pass.

Mittlerweile gibt es in Schanghai rund 2000 Jüdinnen und Juden, schätzt Shalom Greenberg - ungefähr die Hälfte kommt zumindest zu wichtigeren religiösen Feiertagen in eines der jüdischen Zentren - denn mittlerweile gibt es drei.

Jüdischer Bub während einer Zeremonie in Shanghai

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Koscher Essen

Das Unverständlichste am Judentum ist für die meisten Leute in China das koscher Essen. Denn in der chinesischen Essenskultur wird alles gegessen solange es gut schmeckt, meint Greenberg, "Aber noch mehr verwirrt sie, dass wir manchmal Milchprodukte essen, manchmal Fleisch, aber dass wir sie!! um Gottes willen!! niemals zusammen essen!".

So bleibt man letztendlich der Ausländer, der weiße Mann, der Jude. Auch wenn man Chinesisch spricht, die Kultur versteht und die Gebräuche kennt. Trotzdem, meint Greenberg, hat ihn China auf eine bestimmte Art sehr willkommen geheißen. Auf eine andere Art lässt es ihn allerdings spüren, dass er nur geduldet, nicht zu Hause, ist.

Wie es ist, wenn heute ein anderer entscheiden kann, ob man morgen noch bleiben darf?
"Das ist die Geschichte des jüdischen Volkes."