ORF/JOSEPH SCHIMMER
Erich Fried Tage: "Ach! Reden über die Liebe"
Ein Seufzen steht als Motto über den diesjährigen Erich-Fried-Tagen, die von Dienstagabend bis Sonntag im Literaturhaus Wien stattfinden. Im Programm: Liebevolle oder liebeskranke Seufzer, ausgestoßen oder ausgehaucht von prominenten internationalen Gästen wie Peter von Matt, Friederike Mayröcker oder Hanif Kureishi.
30. Dezember 2017, 02:00
Morgenjournal | 01 12 2017 | Erich-Fried-Preis an Präauer
Die österreichische Autorin Teresa Präauer wird mit dem Erich-Fried-Preis ausgezeichnet. Ihr Buch "Johnny und Jean" war ausschlaggebend für den mit 15.000 Euro dotierten Preis, eine Entscheidung von Franz Schuh als alleinigem Juror.
Liebe in Zeiten der Endzeitstimmung
Kann man sich in Zeiten anhaltender Krisen erlauben, sechs Festivaltage lang über die Liebe zu reden? "Wäre die Liebe nur etwas Schönes, hätte ich auch gesagt ‚Nein‘", meint die Festivalleiterin Anne Zauner. Doch das Programm umfasse alle literaturgewordenen Extreme dieses Phänomens, von den Glücksgefühlen bis zu den Schreckmomenten, Abgründen und Schattenseiten, so Zauner weiter.
Es geht also an die Substanz, und das in allen Gattungen: von Prosa bis Comic, von Lyrik bis Lyrics. Jeder Festivaltag ist einem Genre gewidmet. Namhafte nationale und internationale Schriftsteller stellen ihre jüngsten Werke vor und setzen sich in Gesprächen und Lesungen mit den vielen Facetten der Liebe in Literatur und Gesellschaft auseinander.
Schwerpunkt Prosa & Essay am Donnerstag
Zum Beispiel Peter von Matt, der am Donnerstag sein Werk "Sieben Küsse" (Hanser) präsentiert, in dem er den bedeutendsten Küssen der Literaturgeschichte auf die Spur ging. Am selben Abend wird der britische Schriftsteller Hanif Kureishi seinen Erzähl- und Essayband "Love and Hate" und seinen jüngsten Roman "The Nothing" präsentieren. Anne Zauner: "Ein Roman über Liebe und Leidenschaft im Alter, der von Verzweiflung, Zerstörung und auch dem Zerstörerischen der Liebe handelt".
Von Lyrik bis Lyrics
Der Freitag steht im Zeichen der Liebeslyrik und Liebes-Lyrics. Nach einem Solokonzert der Singer-Songwriterin Clara Lucia wird Friederike Mayröcker ihre neuesten Liebesgedichte vortragen, die sie eigens für das Festival, und inspiriert vom Festivalmotto, verfasste, wie Zauner erzählt. Ebenfalls zu Gast im Literaturhaus sind am Freitag Büchner-Preisträger Jan Wagner und die US-amerikanische Musikerin Sophia Kennedy.
Eröffnung mit Jeanette Winterson
Zur Eröffnung am Dienstagabend wird die britische Schriftstellerin Jeanette Winterson erstmals in Österreich zu erleben sein. In ihrem Eröffnungsvortrag will sie "den schwierigsten Aspekt der Liebe" zur Sprache bringen, nämlich jene in zwischenmenschlichen Beziehungen und ihr Niederschlag in Literatur, Poesie und Musik. Jeanette Winterson: "Freud sagte einmal: Der Mensch muss lieben, sonst wird er krank. Und ich denke, würden wir das mit der Liebe besser hinkriegen, könnten wir auch eher akzeptieren, dass manche Liebe eben nicht für die Ewigkeit bestimmt ist und wären weniger zornig aufeinander, wenn es schief läuft."
Die Erich Fried Tage 2017 sind eröffnet! 🎉
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Jeanette Winterson auf der Literaturhaus Wien-Bühne. #friedtage17
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Homoerotische Liebe als Prüfstein
Als Stieftochter streng religiöser Mitglieder der charismatischen Pfingstbewegung war sie zur Missionarin bestimmt. Ausgerechnet die Liebe, nämlich die zu einer Frau, bescherte der damals 16jährigen den Rauswurf aus dem Elternhaus: "Meine Mutter stellte mir ein Ultimatum, entweder ich verlasse das Mädchen oder das Haus. Und ich wollte nicht länger an einem Ort bleiben, an dem ich nicht ich selbst sein durfte."
Winterson lebte im Auto oder im Zelt, bevor sie wieder Fuß fasste. Später verarbeitete sie die Ereignisse in ihren autobiografischen Romanen "Orangen sind nicht die einzige Frucht" und "Warum glücklich statt einfach nur normal?". Die Sprache wurde der in bücherfeindlicher Umgebung Großgewordenen ein Schlüssel zur Welt.
Missionarin des kritischen Denkens
"Ich hatte zwei große Vorteile", sagt Winterson, " Zu Hause die Bibel, von der ich lernte, wie man kraftvolle Geschichten erzählt, und dann eine altmodische öffentliche Bücherei mit einem riesigen Regal, auf dem stand: "Englische Prosa A-Z". Und weil ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte, begann ich bei A und las mich durch Jane Austin, die Brontés, Dickens und so weiter. Lauter großartige fremde Welten!"
Seither propagiert sie in ihren pointierten literarischen Werken und mitreißenden Vorträgen komplexes Denken als wichtiges menschliches Gut. Zur Eröffnung der Erich Fried Tage ist die mehrfach preisgekrönte Schriftstellerin mit dem ansteckenden Humor erstmals auch in Österreich zu erleben.
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- Erich Klein