APA/dpa/Georg Göbel
Affäre
Toni Sailer - #HimToo? 2.0
Für große Aufregung und teils erboste Reaktionen haben Berichte über den "Justizakt Toni Sailer" vor eineinhalb Wochen gesorgt. Mittlerweile hat das Außenministerium seinen noch ausführlicheren Akt dazu freigegeben.
1. Jänner 2024, 13:55
7 Tage Ö1
Ö1 Mittagsjournal - Keine Anklage wegen Formfehler
Redakteure der Tageszeitung "Der Standard", der Rechercheplattform "Dossier" und von Ö1 haben die teils völlig neuen Informationen ausgewertet. So gibt es nun einen eindeutigen Hinweis auf eine Intervention durch den damaligen Kanzler Bruno Kreisky für Sailer. Und nach der Freigabe des Akts gaben auch damalige Mitarbeiter der österreichischen Botschaft in Polen Interviews , darunter einer, der mit dem angeblichen Vergewaltigungsopfer gesprochen hatte.
Geld für Stillschweigen?
Zehn Tage nach der angeblichen Vergewaltigung im März 1974 kam das mutmaßliche Opfer Janina S. in die österreichische Botschaft in Warschau. So steht es im nun vom Außenministerium freigegebenen Akt:
"Sie teilte mit, die polnischen Behörden hätten ihr 10.000 Zloty angeboten und bedeutet, über die Angelegenheit Stillschweigen zu halten."
Der Frau erschien das laut Ex-Botschaftssekretär Ferdinand Mayrhofer-Grünbühel zu wenig und unangemessen. Er hatte damals mit ihr gesprochen:
"Ihre Situation war so, dass die Sache im Wesentlichen abgeschlossen war. Die Kaution war hinterlegt, Toni Sailer wurde aus der Haft entlassen und hatte das Land verlassen. Und die Betroffene hat durch die Finger geschaut. Ihr Besuch in der Botschaft hat wohl den Zweck gehabt, auf der Basis einer Mitleidsreaktion oder mit der leise angedeuteten Drohung, die Sache publik zu machen, doch noch zu einer Entschädigung oder einem Schmerzensgeld zu kommen."
Das schien auch nicht ungerechtfertigt, so der Eindruck des damaligen Sekretärs und Stellvertreters des Botschafters.
ORF
Wurde die Frau verletzt?
"Nach allem was ich weiß und jedenfalls laut offiziellen polnischen Angaben, ja. Sie hat Verletzungen davon getragen. Und sie hat behauptet, dass sie brutal vergewaltigt worden sei, dass sie zwei andere Männer festgehalten hätten und dass diese Vergewaltigung, wie man altmodisch gesagt hat, widernatürlich war.", sagt der damalige Stellvertreter des Botschafters, Mayrhofer-Grünbühel.
Wirkte die Frau glaubwürdig?
"Das ist schwer zu sagen, im Prinzip würde ich sagen ja - ob natürlich alle Details stimmen, das weiß ich nicht." Nachsatz: "Eigentlich hat sie mir leid getan.", so Mayrhofer-Grünbühel.
War durch die Kaution für Toni Sailer alles erledigt?
Der Ex-Botschaftssekretär geht davon aus, dass der damalige ÖSV-Direktor nie zu einem Prozess ins kommunistische Polen angereist wäre. Doch das wäre vielleicht bekannt geworden und peinlich gewesen. Jedenfalls ergibt sich aus dem Akt, dass Kanzler Bruno Kreisky viel später noch interveniert hat - nämlich:
"dass eine Anfrage des Herrn Bundeskanzler Kreisky an die polnische Botschaft in Wien erfolgt sei und die Nichterledigung dieser Angelegenheit in Anbetracht des für Oktober festgelegten Besuches des polnischen Ministerpräsidenten in Österreich unangenehm sei." (Verschriftlichung eines Telefonats)
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Formfehler
Ende August, beim Treffen mit einem Vizegeneralprokurator in Polen erfährt Sailers Anwalt - unterstützt von einem österreichischen Botschaftsmitarbeiter - dass es unter anderem wegen zweier Formfehler nicht zu einer Vergewaltigungsanklage kommt. Nur der Vorwurf der leichten Körperverletzung bleibt bestehen. Und die Betroffene, Janina S. verzichtet auf eine Privatanklage. War da vielleicht eine Geldzahlung im Spiel? Ex-Botschaftssekretär Mayrhofer-Grünbühel meint:
"Bitte, in einem kommunistischen System wird der Frau bedeutet, dass sie das halt nicht zu machen hat - aus."
Der Ex-Botschaftssekretär sagt aber auch: Es sei ja Aussage gegen Aussage gestanden. Ob es in einem kommunistischen System einen fairen Prozess gegeben hätte, sei fraglich. Und die Botschaft habe alle beschuldigten Österreicher unterstützt - nicht nur Toni Sailer.
Service
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