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Radio-Trends

Pflänzchen in der Podcast-Wüste

Podcasts gibt es in Österreich schon lange – Ö1, Ö3 und FM4 bieten seit Jahren auf diesem Weg Sendungselemente wie Comedy oder ganze Sendungen an, wie #doublecheck. Doch der ORF darf vom Gesetz her keine eigenständigen Podcasts machen, und die anderen Medienhäuser haben keine gemacht. Jetzt sind erste Pflänzchen in der Wüste gewachsen.

Mark Zuckerberg hat zum Facebook-Datenskandal Stellung genommen, und für das erste ausführliche Interview zur Schadensbegrenzung hat sich der Facebook-Gründer einen Podcast ausgesucht. Die Ezra-Klein-Show auf der US-Plattform "Vox". Dieses Beispiel zeigt, welchen Stellenwert Podcasts in den USA heute haben. Vor zehn Jahren hat der Boom dort begonnen, ein Ende ist nicht absehbar. Podcasts wie "Serial", "This American Life", "The Daily" von der "New York Times" oder auch "Planet Money" wurden und werden millionenfach heruntergeladen.

Keine Zahlen für Österreich

Der kleine österreichische Podcast-Boom ist dagegen sehr bescheiden, verlässliche Zahlen gibt es nicht. Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 zeigt, was in Deutschland läuft - wo auch große Verlage wie "Der Spiegel" und "Die Zeit" Podcasts machen. Knapp vier Prozent der für die Studie Befragten gaben an, mindestens einmal pro Woche einen Podcast zu hören. Das ist nicht viel.

Zehn Prozent der Jungen dabei

Eine Gruppe ragt aber heraus, und das sind die 14- bis 29-Jährigen: Zehn Prozent der Jungen hören mindestens einmal in der Woche Podcast. Das ist übrigens auch die Altersgruppe, die sich die Musik zu fast 50 Prozent über Spotify & Co. und zu 60 Prozent über YouTube holt. Wie sich zeigt, sind Streaming und nicht-lineares Hören, also On-Demand, für die junge Generation längst eine Selbstverständlichkeit.

Erste Gehversuche mit Werbung

Also ist klar, wen Podcasts besonders ansprechen. Der frühere ORF-Journalist und Korrespondent Raimund Löw macht das "Falter-Radio" - einen Podcast, der hinter die Kulissen der Wiener Stadtzeitung blickt. Und Löw sagt: "Das war etwas, was für die Leute vom Falter interessant war. Dass man mit einem solchen Medium überproportional jüngere Leute erreicht." Seit Beginn des Jahres bringt der "Falter"-Podcast auch Werbung, doch ein Geschäft wird das noch lange nicht sein. Die USA sind auch in dem Punkt weit voraus, Podcasts finanzieren sich dort durch Werbung, aber auch durch Spenden.

Noch keine Reichweiten-Tools

Die Journalisten Eva Weissenberger, Julia Ortner und Sebastian Krause machen den Podcast "Ganz offen gesagt", das ist ein Gesprächsformat für Politikinteressierte und läuft seit sieben Monaten. Mittlerweile experimentieren sie ebenfalls mit Werbung – und wollen ein Podcast-Label mit dem Namen "Missing Link" aufbauen. Das soll die Reichweite steigern.

Wobei das mit der Reichweite so eine Sache ist, man kann sie schwer messen. Eva Weissenberger: "Die Messungen sind noch nicht so gut, aber da tut sich irrsinnig viel. Vor allem die Amerikaner haben großes Interesse, dass es bald ordentliche Instrumente gibt, um die Wirkung von Podcasts zu messen."

Podcast-Hörer sind Bewusst-Hörer

Denn die Plattformen wie Soundcloud und iTunes dokumentieren zwar Zugriffe und Downloads. Aber Downloaden ist nicht gleich Anhören - im Podcatcher auf dem Handy stapeln sich bei vielen die ungehörten Folgen. Andererseits sind Podcast-Hörer schon auch Bewusst-Hörer, die bleiben dran. Patrick Swanson, Journalist und Social-Media-Auskenner bei der "Zeit im Bild", hat den Podcast "Was soll das?" gemacht. Er sagt: "Wenn die Folge eine Stunde gedauert hat, waren die meisten 40 Minuten dabei." Swanson sieht das als großen Erfolg, so wie seine Download-Zahlen: Oft waren es 5000 pro Folge.

"Es braucht mehr Experimente"

Nach 28 Episoden war dann Schluss, aus Zeitgründen. Beim Finale war Armin Wolf zu Gast, das wollten sogar 10.000 hören. Swanson meint, dass in Österreich auch einmal ein Podcast für 100.000 Hörer funktionieren müsste: "Da ist noch sehr viel Luft nach oben." Und dann würde es bestimmt auch mit der Monetarisierung klappen.

Wichtig wäre, dass es nicht aufhört, sagt Patrick Swanson: "Wir haben es probiert, und ich bin so froh, dass es funktioniert hat. Ich würde mir sehr wünschen, dass da mehr experimentiert wird." Im Digitalen sei das ja auch unkompliziert und nicht so kostspielig.

Breite Schichten noch versperrt

Je mehr Podcasts entstehen, umso besser sei das für die, die es schon gibt, sagt Eva Weissenberger: "Jeder neue Podcast bringt auch uns wieder neue Hörerinnen und Hörer." Und einen Bekanntheitsschub würden Podcasts in Österreich dringend brauchen, bestätigt Patrick Swanson. Wie das konkret gehen soll, breitere Schichten zum Podcast-Hören zu bringen, das kann er nicht beantworten. Für "Was soll das?" sei Präsenz auf Twitter und Facebook jedenfalls unerlässlich gewesen.

Es gelingt eine extreme Bindung

Auch die anderen Podcast-Macher promoten ihre Stücke auf Social Media, darunter Andreas Sator. Er ist Journalist beim "Standard" und hat dort Podcast-Erfahrung gesammelt, allerdings auf Eigeninitiative und von der Zeitung geduldet. Sator sieht im Podcast das Medium der Zukunft: "In einer Welt, in der ich mich wenig oder gar nicht mehr über Werbung finanzieren kann, brauche ich Bindung zum Hörer. Und kein Medium schafft diese Bindung so wie ein Podcast."

Aufbruch mit Sebastian Kurz und Jesus

Sein Lieblings-Podcast "Planet Money" höre sich für ihn so an, als würde er mit einem Freund an der Bar sitzen, der zu ihm spricht, sagt Sator. Neuerdings macht er den Podcast "Erklär mir die Welt", von Sebastian Kurz bis Jesus war in den ersten Folgen schon alles drin.

Auch Andreas Sator meint, dass die Entwicklung in Österreich erst ganz am Anfang stehe, und wagt eine Prognose: "In zwei Jahren haben wir ein Vielfaches an Podcasts in Österreich. Die Wette gehe ich gerne ein."

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