APA/HERBERT PFARRHOFER
Ö3
Ein Sender, der nicht für alle ein Hit ist
In der großen Morgen-Show, dem Ö3-Wecker, spielen sie bissige Comedy über den Kanzler, im Werbegeschäft spielen sie die Mitbewerber an die Wand. Das Hitradio Ö3 ist nicht für alle ein Hit, aber es funktioniert ziemlich gut.
7. Mai 2018, 02:00
Für viele zu gut. Im Regierungsprogramm steht: "Veräußerungen von einzelnen Sendern werden abgelehnt" - dennoch hat FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky erst Anfang März wieder die Privatisierung unter anderem von Ö3 gefordert. Der Vorwurf: Das sei doch alles nicht öffentlich-rechtlich, was da auf Sendung geht.
Ö3 und KroneHit übermächtig
Der Privatradio-Pionier Florian Novak, der Lounge-FM betreibt und die Mühen der Ebene im Radiogeschäft kennt wie kein anderer, argumentiert aus der Sicht des Mitbewerbers: Ö3 und mit einigem Abstand KroneHit seien auf dem Werbemarkt so stark, dass den kleineren Sendern kaum Luft zum Atmen bleibe. Sprich: Sie verdienen kein Geld.
Kommt Fellner-Radio bundesweit?
Florian Novak meint, dass es 20 Jahre nach dem Start der Privatradios in Österreich im April 1998 Zeit sei, den zersplitterten Markt zu konsolidieren. Deshalb hat Novak einige seiner Lizenzen Wolfgang Fellner überlassen, der sich um die zweite bundesweite Privatradio-Lizenz neben KroneHit beworben hat. Im ersten Anlauf ist Fellner an einer ziemlich komplizierten Gesetzesbestimmung gescheitert, die nötigen Frequenzen hat er.
20 Jahre Privatradio in Österreich
Eine Rechnung mit Ö3 ist offen
Und Fellner bleibt dran, der Deal mit Novak ist aufrecht. Fellner hat mit Ö3 noch eine Rechnung offen, einmal ist er mit einem Radioprojekt – Antenne Wien - schon gescheitert. Jetzt will er es definitiv wissen. Fürchten muss sich Ö3 nicht, hat es doch allein mehr Reichweite als alle Privatsender zusammen. Der stärkste Mitbewerber KroneHit hat 11 Prozent, Ö3 dreimal so viel. Und selbst die schärfsten Konkurrenten sagen, dass die von Ö3 ihre Sache gut machen.
"Bedeutender als die Kronen Zeitung"
Das große Aber: Ö3 sei halt nicht öffentlich-rechtlich. Was so einfach nicht stimmt. 2,6 Millionen Menschen hören den Sender täglich, und das macht Ö3 stark und wichtig. Das sehen auch maßgebliche Kräfte in der schwarz-blauen Bundesregierung so, die den ORF-Sender für bedeutender halten als die auch nicht gerade unbedeutende Kronen Zeitung.
Stärkstes Informationsmedium
Ö3-Senderchef Georg Spatt erklärt das so: "Studien sehen Ö3 als Österreichs größtes Informationsmedium. Wir erreichen bundesweit sehr gleichmäßig sehr viele Menschen, und bei diesen Hörerinnen und Hörern steht Ö3 auch ganz klar für Information." Entscheidend für den öffentlich-rechtlichen Auftrag, den Ö3 erfüllt: Die stündlichen Ö3-Nachrichten, die rund um die Uhr 365 Tage im Jahr laufen, werden von denselben Redakteuren beliefert, die auch für die Ö1 Journale arbeiten. Und Ö1 ist das öffentlich-rechtliche Aushängeschild des ORF.
ORF-Radios dominieren den Markt
"Eine Frage der Definition"
Selbst KroneHit-Programmchef Rüdiger Landgraf räumt ein, dass sein Sender da nicht mithalten kann. "Die Dinge, die nach den üblichen Kriterien berichtenswert sind, die sind bei uns sicher weniger stark vertreten als bei Ö1 und Ö3." Man biete eben eine andere Information in den Nachrichten, das sei auch eine Frage, wie man Information definiert. Landgraf meint damit Neuigkeiten über Stars oder Produkt-Neuheiten – das erfährt man auf Ö3 auch, aber nicht zur vollen Stunde.
Publikum macht den Unterschied
Der Unterschied erklärt sich durch das Publikum, und das erklärt auch die besondere Rolle von Ö3. KroneHit konzentriert sich auf die ganz junge Zielgruppe, und das macht es relativ einfach. Rüdiger Landgraf: „Wir sind eben in dieser Lebenswelt der Zehn- bis 29-Jährigen drinnen, deren Leben sich halt nicht primär um die innenpolitische Lage Österreichs dreht.“
Das Hitradio mit dem sozialen Gen
Ö3 hat einen ganz anderen Anspruch, den Senderchef Georg Spatt auch als Auftrag sieht: "Wir sind bei den ganz Jungen zur Zeit sehr stark, und wir sind auch bei den 30- bis 49-Jährigen sehr stark. Das zeigt die Funktion von Ö3, auch zwischen den Generationen zu vermitteln." Eine Ebene, wo das passiert, sind die vielen sozialen Aktionen, die der Sender ab seiner Gründung vor 51 Jahren immer wieder gestartet hat.
"Das Land ein bisschen besser machen"
Ein Beispiel ist das "Team Österreich" - für das sich 50.000 Freiwillige gemeldet haben, die für Hilfe nach Katastrophen und in Notsituationen bereitstehen – aber auch das Ö3-Weihnachtswunder und – seit drei Jahrzehnten – die Ö3-Kummernummer. Oft in Kooperation mit dem Roten Kreuz. Das Ziel sei, das Land ein bisschen besser zu machen und aufzuklären über Armut, über Menschen, die Hilfe brauchen, sagt Ö3-Chef Georg Spatt.
Eine Mischung der Gesellschaft
Und Spatt sieht auch eine demokratiepolitische Leistung seines Senders: "Ö3 erreicht eine Mischung der Gesellschaft, wo man sagen kann, es ist eine der Aufgaben von Ö3, viele Menschen zu erreichen, die sonst gar nicht mehr viel miteinander zu tun hätten, sie mit vielfältigen Informationen zu versorgen und mit gemeinsamen Aktionen zu inspirieren."
Die große Reichweite als Hebel
Damit das funktioniert, braucht es aber die Reichweite als Hebel, und der wirkt auch – zum Leidwesen der Mitbewerber – auf dem Werbemarkt. Es könne ja nicht die Definition von Öffentlich-Rechtlich sein, dass möglichst wenige Menschen einen Sender hören, heißt es dazu bei Ö3. Und das ist eine Sichtweise, die in den Grundzügen auch Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) teilt und nicht verheimlicht.
Ohne Mainstream keine Reichweite
Damit die Reichweite stimmt, muss aber auch die Musik stimmen. Ob sich jemand für einen Sender entscheidet, das hängt zu 80 Prozent davon ab, welche Musik gespielt wird. Bei Ö3 sieht man die Musik denn auch als "Eintrittstür zum Hörer". Umgekehrt wäre Ö1 nicht der erfolgreichste Kultursender Europas, würde man nur klassische Musik spielen. Entscheidend ist bei Ö1 die Mischung mit der Information, denn das Hörer-Potenzial für Klassik geht über fünf, sechs Prozent nicht hinaus.
Österreich-Künstler gefördert
Immer wieder kommt die Kritik, Ö3 würde zu wenig Musik aus Österreich spielen. Auch im Regierungsprogramm steht ein Satz, der in diese Richtung interpretiert werden kann. Dabei gibt es auf Ö3 seit Jahren eine freiwillige Österreicher-Quote von 15 Prozent, auf FM4 – freilich mit einem Bruchteil der Reichweite – ist dieser Anteil noch viel höher. Die Diskussion über die Förderung nationaler Künstler läuft nicht nur in Österreich, die Befürworter einer Quote verweisen gern auf Frankreich, wo 40 Prozent französische Musik seit Jahren Pflicht sind. Allerdings nicht unumstritten.
Vorreiter auch bei Musikforschung
Eine Vorreiterrolle hat Ö3 nicht zuletzt auch bei der sogenannten Musikforschung. Hits werden ja nicht deshalb gespielt, weil sie dem Moderator oder der Moderatorin gefallen. Hits werden regelmäßig beim Publikum abgetestet und entsprechend den Vorlieben eingesetzt - allerdings weniger oft als viele denken. Und da halten sich dann auch wieder alle anderen Radiosender an Ö3.