Küstenlandschaft der Faröer Inseln

Heike Possert

Spielräume Spezial

Große Musik von kleinen Inseln

Die Färöer bestehen aus 18 Inseln, die steil aus dem Nordatlantik aufragen, hunderte Kilometer vom nächsten Festland entfernt. Knapp 50.000 Menschen leben dort, etwa so viel wie in Osttirol oder in der Stadt Dornbirn. Musikalisch aber wachsen die kleinen Inseln weit über sich hinaus, und das Feld ist weit.

Von Folk über Metal und Techno bis zu Singer-Songerwritern reicht das musikalische Programm der Färöer. Eivør Pálsdóttir, kurz Eivør, ist die international bekannteste Sängerin der Färöer. Sie ist in Wien schon im Konzerthaus und in der Sargfabrik aufgetreten, und am kommenden Donnerstag ist sie in der Sargfabrik wieder zu hören.

Verkehrsschild warnt vor abschüssigem Gelände - mitten auf einer Wiese

Heike Possert

Instrumente sind auf die baum- und daher holzlosen Inseln erst im 19. Jahrhundert gekommen.

Exponierte Lage, moderne Bevölkerung

Die Färöer-Inseln liegen im Nordatlantik, im Dreieck zwischen Schottland, Norwegen und Island. Erreichen kann man sie per Flugzeug, oder mit der Fähre von Dänemark - die braucht zwei Nächte und anderthalb Tage. Ja, die Inseln sind abgelegen - doch die Gesellschaft ist modern und die Bewohner international: Sie sprechen Färöisch - eine dem Isländischen und dem Altnordischen verwandte Sprache - in der Schule lernen sie Dänisch, und dank der in den skandinavischen Ländern verbreiteten Praxis, Fernsehserien oder Kinofilme nicht zu synchronisieren, sondern nur zu untertiteln, können auch alle Englisch. Bei Konzerten ist es üblich, automatisch ins Englische zu wechseln, sobald auch nur eine nicht färöisch-sprechende Person im Saal ist.

Eine Landschaft wie im "Herrn der Ringe"

Immer wieder verwenden die färöischen Musiker in ihren Videos Aufnahmen der unglaublichen Landschaft. Solche PR-Anstrengungen sind durchaus vonnöten - denn nicht nur, dass außerhalb von Skandinavien kaum jemand weiß, wo denn die Färöer liegen. Sie müssen sich auch immer wieder wegen des Fangs der Grindwale rechtfertigen, obwohl diese Walart keineswegs vom Aussterben bedroht ist und es in unseren Schlachthöfen auch nicht weniger blutig zugeht als beim Walfang. Aber die Bilder der toten Tiere inmitten des blutroten Wassers der Inselbuchten haben ein ziemliches PR-Desaster verursacht, nach Protesten sind Konzerte der färöischen Band Týr in Deutschland und der Schweiz abgesagt worden - weil einer der Bandmitglieder beim Grindwalfang mitmacht.

Das Mastermind der färöischen Musikszene ist Kristian Blak. Der gebürtige Däne betreibt in der Fußgängerzone der Hauptstadt Tórshavn das einzige Plattengeschäft der Färöer, im Sommer gibt es jeden Mittwoch und Freitagnachmittag dort Gratiskonzerte. Und ihm gehört auch das Plattenlabel mit dem Namen tútl, was so viel wie Heulen oder Brüllen bedeutet. Die Musikproduktion der Inseln ist beeindruckend: Nahezu jede Woche erscheint bei tútl eine neue CD, etwa 40 sind es im Jahr.

Lange Vokaltradition

Die traditionelle Musik der Färinger, wie die Bewohner der Färöer-Inseln heißen, war lange Zeit nur vokal, es gab Balladen und Kirchenlieder. Instrumente sind auf die baum- und daher holzlosen Inseln erst im 19. Jahrhundert gekommen. Eine besondere Tradition stellen die repetitiven Gesänge zu den alten Rundtänzen dar, die bis heute gesungen werden. Das gemeinsame Singen steht auch heute noch hoch im Kurs, besonders beeindruckend ist das zum Abschluss von Olavsøka, des wichtigsten Festes der Inseln Ende Juli. Da versammeln sich zu Mitternacht am zentralen Platz der Hauptstadt tausende Menschen und singen eine Stunde lang färöische Lieder - und damit auch alle mitsingen können, verteilt die Stadtverwaltung eine Broschüre mit den Texten. 10.000 Menschen sollen im Vorjahr dabei gewesen sein - das ist die halbe Einwohnerschaft der Stadt Tórshavn.

Kleines Küstendorf von Ferne gesehen

Musik wird in den kleinsten Dörfern gemacht.

Heike Possert

Beeindruckend auch die vielen Festivals und Konzerte, die in Dörfern mit ein paar hundert Einwohnern auch in Gasthäusern oder Kirchen stattfinden. Sie sind teilweise umsonst - was den Effekt hat, dass das Publikum mit Musik konfrontiert wird, für die es sonst wohl nicht so selbstverständlich Eintritt zahlen würde. Es gibt Grottenkonzerte, bei denen man mit einem Schiff in eine Grotte fährt, wo man dann die Musiker in beeindruckenden akustischen Verhältnissen hören kann, und es gibt Hauskonzerte, wo die Musiker in Privatwohnungen für ein - zahlenmäßig natürlich beschränktes - Publikum auftreten. Und es gibt am Strand des kleinen Ortes Gøta das G!Festival. Es ist nahezu jedes Jahr verregnet und zieht bis zu 8000 Besucher an - ein gutes Sechstel also der 50.000 Inselbewohner. Beim G!Festival sind im Vorjahr auch Alphaville, Kris Kristofferson und die Österreicher von Bilderbuch aufgetreten.

Musikbühne am Strand

Vorbereitungen zum G!Festival am Strand von Gøta

Heike Possert

Warum die Musikszene der kleinen Inseln so groß ist, dazu gibt es eine interessante These: im 19. und 20. Jahrhundert sei die Literaturproduktion des Landes wichtig gewesen, weil sie das "nationale Erwachen" der Färöer und die Abnabelung von Dänemark vorangetrieben hat. Im 21. Jahrhundert aber sei es weniger attraktiv, für ein kleines Publikum auf Färöisch zu schreiben, heute würden sich die Kreativen lieber der Musik zuwenden, denn die wird weltweit verstanden, selbst wenn die Texte auf Färöisch sind.

Stürmisches Wetter an der Küste

Regen, Wind und Wellen machen bei Konzerten auf den Färöern bisweilen Probleme

Heike Possert

Wenn das Flugzeug aus Kopenhagen nicht landen kann, dann muss der Auftritt verschoben oder gar abgesagt werden. Und wenn die Band wegen des hohen Wellengangs auf einer entlegenen Insel festsitzt und auch der Helikopter wegen des Nebels nicht fliegt, dann kann es schon passieren, dass einfach ein anderer Musiker einspringt und das Konzert bestreitet. Für das Konzert von Eivør am kommenden Donnerstag in Wien aber ist die Wetterprognose stabil, sie tritt um 19:30 Uhr in der Sargfabrik in Wien auf.