ORF/JOSEPH SCHIMMER
1920
Siedlung Heuberg, Wien
Vom Park inmitten der "Heubergsiedlung" in Wien-Hernals hat man eine herrliche Aussicht hinunter auf die Stadt. Für die Siedlerbewegung sind die Häuser am Heuberg, obwohl sie kaum mehr im Original erhalten sind, exemplarisch. Am Beginn der Siedlerbewegung standen Gärtner, die sich um die Zeit des Ersten Weltkriegs ihr Gemüse selbst anbauten, aus Hunger, in teils illegalen Gärten.
4. Juni 2018, 05:00
Selbstgebaute Siedlung mit Nutzgarten
Gestaltung: Hanna Ronzheimer
Gründung Siedlungsamt: 1920
Architektur: Margarete Schütte-Lihotzky; Adolf Loos, Hugo Mayer
Adresse: 1170 Wien, Röntgenstraße
"Meine Großeltern waren hier Siedler der ersten Stunde", erzählt Frau Susanna, "die haben sogar mitgearbeitet beim Bau dieser Häuser und haben Sand geschaufelt, Beton gemischt. Mein Großvater war Tischler und hat Inneneinrichtungen gemacht, so gemütliche Sitzecken, in verschiedenen Häusern halt."
In einem der Häuschen gleich neben dem Spielplatz hat Frau Susanna schon ihre Kindheit verbracht. Damals fuhr allerdings noch kein Bus bis hier hinauf an den Rand des Wienerwalds. Auch sonst hat sich einiges verändert, seit Adolf Loos und seine Kollegen die idyllischen kleinen Flachdachhäuser in den 1920er Jahren konzipierten. Viele Nutzgärten sind heute Parkplätze. Selbstversorgung ist heute nicht mehr gefragt.
"Ich glaube, da waren zehn bis zwölf Obstbäume drinnen, obwohl er gar nicht so riesig ist. Dann hat es Tomaten gegeben, Spinat, was man halt so untergebracht hat. Meine Mutter hat auch gelegentlich Obst verkaufen können und sich so ein bisschen was dazuverdient", sagt Frau Susanna.
Am Beginn der Siedlerbewegung standen wilde Gärtner, die sich um die Zeit des Ersten Weltkriegs ihr Gemüse selbst anbauten, aus Hunger, in teils illegalen Gärten. Doch auch das Wohnen ist damals unerschwinglich, erzählt der Historiker Kurt Bauer: "Viele der Gemüsegärtner fangen jetzt an, auf diesen Flächen Wohnhütten zu errichten. Durch rückkehrende Soldaten und Rückkehrer aus den Nachfolgestaaten der Monarchie wird die Wohnungsnot in Wien noch größer, es entsteht ein enormer Druck. Das führt auch dazu, dass in Eigeninitiative Land okkupiert wird und Siedlungen errichtet werden."
ÖNB
1919 und 1920 sind die Jahre der "wilden Siedlungen". Doch schon bald entstehen Siedlungsgenossenschaften und Vereine. Auch Österreichs erste Architektin, Margarete Schütte-Lihotzky, entwirft Fertigteilhäuser für solche Siedlungsanlagen. Aufgewachsen in einem wohlhabenden Wiener Haushalt, machte sie 1923 als erste Frau in Österreich das Diplom in Architektur und spezialisierte sich auf das Wohnen für die untere Gesellschaftsschicht. Adolf Loos, Chefarchitekt des 1920 gegründeten Siedlungsamtes der Stadt Wien, holt sie zu sich. Für die Heubergsiedlung entwerfen sie 169 Wohneinheiten. Loos entwickelt sogar ein eigenes System dafür, das sogenannte Haus mit einer Mauer.
ORF/JOSEPH SCHIMMER
3.000 Stunden Mitarbeit am Bau fordert man von den zukünftigen Bewohnern der Heubergsiedlung. Um ihre Wohnbedürfnisse besser kennenzulernen, unternahm Schütte-Lihotzky Feldforschungen beim Proletariat. Eine beruflich wegweisende Entscheidung, wie die im Jahr 2000 verstorbene Architektin in einem Ö1-Interview erzählte: "Dass acht Menschen oft in einem Zimmer hausen, habe ich nicht gewusst. Das hat mich sehr beeinflusst. Ich bin daraufhin natürlich in Arbeiterwohnungen gegangen. Kaum ein Kind hat ein eigenes Bett gehabt. Das kann man sich ja heute alles kaum noch vorstellen!"
Mitte der 1920er Jahre verliert die Siedlerbewegung allerdings an Bedeutung. Gebaut wird, mangels Fläche, nun lieber in die Höhe. "Das ist also sozusagen der Gegensatz der Gartenstadt zum Superblock, und es wird immer mehr umgeschaltet auf die innerstädtische Blockverbauung. Man kann das Wohnproblem nicht mit Einfamilienhäusern am Stadtrand lösen, das ist klar", sagt Kurt Bauer, auch in Hinblick auf das heutige Problem der Ausdehnung der "Speckzonen" zwischen Stadt und Land.
Gestaltung: Hanna Ronzheimer
Textfassung: Anna Soucek
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Das Rote Wien - Heuberg-Siedlung
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