Strandbad Gänsehäufel

APA/HERBERT PFARRHOFER

1950

Strandbad Gänsehäufel, Wien

Die Donau als Bade- und Freizeitgebiet ist eine Erscheinung des späten 19. Jahrhunderts. Die große Donauregulierung ab 1870, in deren Verlauf die bis dahin weit verzweigte Donau in ein gerades Bett gezwängt wird, soll das Wiener Hochwasserproblem nachhaltig lösen und führt zur Entstehung der heutigen Alten Donau, dem letzten Überbleibsel des ehemaligen Hauptarmes.

Badekultur an der Alten Donau

Rafael Kopper

Im Jahr 1900 pachtet der als "Wiener Original" apostrophierte Waldviertler Florian Berndl (1856–1934) dort eine ob ihrer Gänseweidennutzung als Gänsehäufel bekannte Insel, um Naturheilkunde zu praktizieren und seine Vorstellungen von Freikörperkultur zu leben. Zahlreiche Anhängerinnen und Anhänger, vor allem aus den aufgeklärten Schichten des Bürgertums, folgen Berndl. Alarmiert von Berichten über luftig bekleidete Damen und Nacktbadende, kündigt die Gemeinde Wien Berndls Pachtvertrag, übernimmt das Areal und eröffnet es 1907 als "Strandbad der Commune Wien am Gänsehäufel" wieder.

Berndl weicht zunächst ans gegenüberliegende Ufer aus und gründet die Kolonie "Brasilien in Wien", aus der sich später die Kleingartensiedlung "Neu-Brasilien" entwickeln wird. 1913 wird Berndl erneut vertrieben und lässt sich nun am Bisamberg nieder, wo er schließlich 1934 stirbt.

  • Strandbad Gänsehäufel

    ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG, FOTO: MARGHERITA SPILUTTINI

  • Eingang Strandbad Gänsehäufel

    ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG, FOTO: MARGHERITA SPILUTTINI

  • Strandband Gänsehäufel

    ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG, FOTO: MARGHERITA SPILUTTINI

  • Strandbad Gänsehäufel

    ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG, FOTO: MARGHERITA SPILUTTINI

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Heute erinnern das Florian Berndl Bad sowie die Florian-Berndl-Gasse an Wiens wohl wichtigsten Badepionier. Denn was zunächst von offizieller Seite argwöhnisch beobachtet wurde, entwickelt sich nach der Institutionalisierung der Bedürfnisse durch die Stadt Wien zu einem Erfolgsmodell: Während der Zeit des Roten Wien erlebt die Freibadekultur einen regelrechten Boom und ist nicht minder wichtig für das sozialdemokratische Programm wie die Gemeindebauten.

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wird das Gänsehäufel vollständig zerstört, da die Alliierten hier militärische Einrichtungen vermuten. Schon am 22. Juni 1950 – fünf Jahre vor der Staatsoper – erfolgt die Wiedereröffnung des von den Architekten Max Fellerer (1889–1957) und Eugen Wörle (1909–1996) neu gestalteten Bades. Die beiden verstanden, dass es beim Baden um die Naturerfahrung geht, oder, im städtischen Kontext, um eine Annährung an eine solche.

Das Wiener Gänsehäufel

ORF

Die von ihnen entworfenen Baukörper aus Sichtbeton sind auf das Nötigste reduziert und lose in der Landschaft verteilt. Keine Spur von Monumentalität, die bei einem Bad dieser Größe ebenso denkbar gewesen wäre. In einer Stellungnahme der Architekten heißt es: "Der Mensch soll, abgehetzt und erfrischungsbedürftig wie er kommt, nicht durch eine steife symmetrische Haltung aufgenommen werden, er soll in einen natürlichen, wenn auch gepflegten Garten treten, in dem die Gebäude geordnet, doch ohne Pathos aneinandergereiht sind."

Diese Qualitäten streicht auch Architekt Wolfgang Holzhacker hervor, der für die Generalsanierung des Bades von 2001 bis 2004 verantwortlich war: "Es ist eine ganz klare, einfache, konstruktive Architektur, die alle Funktionen in ganz schlichter, klarer und überzeugender Form umgesetzt hat. Und das ist eigentlich ein gültiges Credo – vom Bauhaus bis heute, aber man kann das bis in die alte Klassik zurückverfolgen –, dass eine technisch schlichte, einfache, sehr funktionelle, aber doch emotionell wertvolle Lösung eigentlich das Optimum darstellt, das in der Architektur erzielbar ist."

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