
ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG/FOTO: FRIEDRICH ACHLEITNER
1970
Felsenbad und Kongresshaus Bad Gastein, Salzburg
Seine goldenen Jahre lagen schon Jahrzehnte zurück, als ein aufstrebender Salzburger Architekt und sein kommunaler Bauherr ab den 1960er Jahren antraten, den einstmals mondänen Kurort Bad Gastein mit ambitionierten Infrastrukturbauten in die zweite Moderne zu führen.
1. Oktober 2018, 08:08
Zweite Moderne im Wolkenkratzerdorf
Roman Tschiedl

1910: Kaiser Farnz Joseph I. eröffnet die Südrampe der Tauernbahn Spittal - Bad Gastein; gefolgt von Erzherzog Eugen und dem damaligen Bürgermeister Karl Straubinger. Im Hintergrund: Kardinal Erzbischof Johannes Katschthaler.
ÖNB
Baubeginn Kongresshaus: 1970
Architektur: Gerhard Garstenauer
Adresse: 5640 Bad Gastein
Seine letzte Hochblüte hatte Bad Gastein in den 1920er Jahren erlebt. Nach dem 2. Weltkrieg konnte der ehemals mondäne Kurort, in dem sich gekrönte Häupter, Adel, Klerus und gehobenes Bürgertum spätestens ab dem 18. Jahrhundert seine Maladien behandeln ließ, aber nicht mehr an die goldenen Jahre anknüpfen.
In den 1960er Jahren wollte man dann aber noch einmal ganz Gegenwart werden. Mit ambitionierten Bauprojekten, traten der aufstrebende Salzburger Architekt Gerhard Garstenauer und der junge Bad Gasteiner Bürgermeister Anton Kerschbaumer an, den Kurort aus der längst verblichenen Belle Époque in die zweite Moderne zu führen, neue Einnahmequellen und Kundensegmente für das "Wolkenkratzerdorf in den Bergen" zu erschließen.
Ein junges und sportives Bild sollte es vermitteln, dieses "neue" Bad Gastein. Den Auftakt dazu bildete das zwischen 1967 und 1968 errichtete "Felsenbad" am Bahnhof. Den Bauplatz ließ man aus dem Hang sprengen und Garstenauer inszenierte dort ein vielfach gerühmtes Zusammentreffen von rohem Tauerngneis, Sichtbeton und Gasteiner Thermalwasser.

Felsenbad Gastein
ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG/FOTO: FRIEDRICH ACHLEITNER
Parallel dazu plante Garstenauer für Kerschbaumer ein Kongresshaus im Zentrum von Bad Gastein. Ab 1970 weitgehend aus vorgefertigten Sichtbetonteilen, die per LKW aus Niederösterreich geliefert wurden, errichtet, setzte Garstenauer den dominierenden Vertikalen der hoch aufragenden Hotelburgen aus der Gründerzeit, einen begehbaren, horizontalen Bau entgegen, der den engen, verschatteten Ortskern zu einer Platzsituation erweiterte.
Während der Bauzeit des Kongresszentrums, widmeten sich Garstenauer und Kerschbaumer der Entwicklung des Skitourismus. Futuristisch muteten sie an, die transparenten, superelliptischen Skigondeln der Stubnerkogelbahn und die vier geodätischen Kugelbauten aus Glas und Aluminium, die Garstenauer in "Sportgastein" 1970 installieren ließ. Nicht verwirklicht blieb ebenda eine stützenlose Bergbahn auf das Schareck und die sogenannte "Badeschlucht", ein modular geplanter Hotel- und Wellnesskomplex avant la lettre.
Gründe dafür lagen wohl in den beträchtlichen Verbindlichkeiten der Gemeinde durch die Errichtung des Felsenbades und des 1974 fertiggestellten Kongresszentrums, sowie dem Tod des Bürgermeisters Anton Kerschbaumer im darauf folgenden Jahr. Zudem erschütterte der Ölpreisschock das fortschrittsoptimistische Machbarkeitsparadigma, unter dessen Vorzeichen Garstenauer und Kerschbaumer ihre Pläne in den 1960er Jahren ersonnen hatten.
"Nach dem Tod von Anton Kerschbaumer und mit einer durchaus vorhandenen finanziellen Belastung des Ortes mit diesen Infrastrukturbauten, wurden diese eher als Klotz am Bein der Gemeinde gesehen als eine Chance", meint der Salzburger Architekturhistoriker Norbert Mayr, "und es war ein fataler Kreislauf, der sich über Jahre und Jahrzehnte nach unten gedreht hat, eine Spirale, die im Verkauf eines Großteils von Gebäuden im Zentrum an einen Investor aus Wien geendet hat." Was der Gemeinde aber statt der erhofften Revitalisierung, neben jahrelangen Rechtsstreitigkeiten, den Verfall dieser Baujuwelen aus dem 18. bis ins 20. Jahrhundert und die Verwahrlosung des Zentrums eintrug.
"Mittlerweile gibt es Versuche, Teile durch einen Zwischenkauf durch das Land Salzburg wieder zu reaktivieren. Aber das Zentrum mit dem leer stehenden Kongresszentrum ist noch immer eine offene Wunde", sagt Norbert Mayr. "Das Erfreuliche ist, dass das Kongresszentrum noch immer in einem guten Zustand ist, obwohl es schon sehr viele Jahre leer steht, weil die Ausführungsqualität hoch war. Aber natürlich gibt es Wasserschäden und es gibt Handlungsbedarf. Dadurch, dass es hier eine Inkunabel der Architektur der 1960er und 70er Jahre gibt, sollte man bald eine gute Lösung finden."
Gestaltung: Roman Tschiedl
Service
Gerhard Garstenauer, "Interventionen“, Verlag Anton Pustet, 2002
Norbert Mayr
Gerhard Garstenauers Projekte in Gastein
SOS Brutalismus – Architekturzentrum Wien
GAT – Bauten in Not
Tag des schutzlosen Denkmals 2018 in Architektur Aktuell