Blumenkraft, Innenansicht

ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG/FOTO: MARGHERITA SPILUTTINI

1999

Blumenkraft, Wien

Ende der 1990er hat sich die gelernte Floristin Christine Fink selbständig gemacht und ein neuartiges, damals aufsehenerregendes Blumengeschäft in der Schleifmühlgasse 4 im Wiener Freihausviertel eröffnet. Der Raum habe sie inspiriert, und heute noch geht sie in der Gestaltung von Blumengebinden auf die Architektur ein, sagt sie.

Die Abstraktion der Blüte

Anna Soucek

Der anregende Raum, das ist das geräumige Geschäftslokal von Blumenkraft im Erdgeschoß eines spätgründerzeitlichen Gebäudes mit üppigem Fassadendekor. Und das wirklich außergewöhnliche an diesem Raum ist seine Höhe: etwa sieben Meter. Wo so viel Platz nach oben ist, da braucht man auch bei den Gewächsen nicht kleinlich zu sein. Lange, nackt, von Blättern befreite Stiele sind in meterhohen Gefäßen arrangiert.

Gestaltet wurde Blumenkraft vom Wiener Architektur- und Designbüro Eichinger oder Knechtl. Gregor Eichinger hatte Christine Fink ermutigt, das Geschäftslokal in der Schleifmühlgasse anzumieten – dabei war von der Großzügigkeit des Raumes zunächst nichts zu erkennen, alles war verbaut. Zuvor hatte sich darin ein Küchenstudio befunden, und mit Zwischendecken und Wänden wurden die Dimensionen des normalen Wiener Wohnbaustandards imitiert. Die wichtigste gestalterische Maßnahme war also, die ursprüngliche Architektur wieder herzustellen: die Zwischendecken zu entfernen und die gusseisernen Säulen freizulegen.

Blumenkraft, Innenansicht

ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG/FOTO: MARGHERITA SPILUTTINI

Erst dann – und nachdem der von Gregor Eichinger in Anlehnung an "flower power" erfundene Geschäftsname Blumenkraft geschützt war – ging es ans Entwerfen der Inneneinrichtung, erzählt Gregor Eichinger: "Wichtig war, dass die Möbel schwer sind, damit die Blumen ganz leicht wirken. Wir haben hier Beton- und Stahlmöbel entworfen. Die Podeste sind aus Vollbeton und daher richtig massiv und schwer. Das Prinzip ist: Was optisch sichtbar ist, ist auch physisch vorhanden – nichts ist Fake. Alles nimmt Bezug auf die Blumen und ihre spielerische Schönheit."

Avantgardistische Arrangements gibt es hier, statt altbackener Bouquets; die Vasen sehen wie hochgestellte Vitrinen aus und die Podeste wie Sockel. Christine Finks Umgang mit ihren Schnittblumen erinnert die museale Inszenierung von Skulpturen. Alles ist gut sichtbar durch die großen Schaufenster.

Mit der ästhetischen Nähe zu Gegenwartskunst befand sich das Geschäft in guter Nachbarschaft: In der Schleifmühlgasse siedelten sich in den folgenden Jahren die wichtigsten Wiener Galerien an. Ende der 1990er Jahre war nicht nur das Freihausviertel im Aufbruch – in ganz Wien erlebte die Innengestaltung von Bars, Restaurants und Geschäften eine Aufwertung. Und dass ein Blumengeschäft einen extravaganteren Namen als "Blumen Ingrid" oder "Blumenhaus Mayer" hat, wurde ebenso normal, wie dass es auch einer Galerie oder einer Szene-Bar gleichsehen kann.


"Auf einmal gab es Auftraggeber, die auf die Gestaltung Wert legten", erinnert sich Gregor Eichinger, der mit seinem ehemaligen Bürokollege Christian Knechtl selbst ein Protagonist dieser kleinen Wiener Design-Revolution war, "im 7. Bezirk wurden einzelne Lokale eröffnet, dann sind auch die Shops gekommen, und alle sind nachgezogen. Es ist wirklich ein neues Lebensgefühl entstanden. So konnten Formate, wie ein Blumengeschäft, das vorher nach nix ausgesehen hat, neu gelebt und neu gedacht werden."

Service

blumenkraft – fink.inc
eichinger offices

Gestaltung

  • Anna Soucek

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