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Reportage
Rumänische Künstler bei jüngsten Protesten
Vor kurzem eskalierten die Proteste in Rumänien gegen korrupte Regierungsvertreter und Parlamentarier. Mit massiver Gewalt und Tränengas ging die Polizei gegen die in ihrer Mehrheit friedlich protestierenden Menschen vor. Rumäniens Künstler und Kulturschaffende kommentierten die Ereignisse zwar hin und wieder, waren bei den bisherigen Protesten aber nur selten in Erscheinung getreten. Diesmal war das anders.
20. September 2018, 02:00
Mittagsjournal | 20 08 2018
Mirko Schwanitz
Die Gewaltexzesse der Polizei gegen mehrheitlich friedliche Demonstranten in Bukarest, haben auch viele rumänische Künstler entsetzt. Mit großer Beunruhigung beobachtet der Schriftsteller Filip Florian die Ereignisse.

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"Politiker fürchten um Monopol auf bestimmen Geschäfte"
"Es ist schwer, sich fernzuhalten und ruhig zu bleiben, wenn man sieht, was gerade passiert. Zu den Gewaltexzessen der Polizei gegen weitgehende friedliche Demonstranten kam es, weil Politiker nicht nur um ihre Macht fürchten, sondern vor allem um ihr Monopol auf bestimmte Geschäfte und den Zugriff auf die rumänischen Staatsfinanzen", sagt Filip Florian.
Tatsächlich demonstrieren die Rumänen seit etwa anderthalb Jahren auf dem Universitätsplatz fast permanent gegen ihre korrupten Politiker und Parlamentarier. Die Entlassung der erfolgreichen Chefin der Antikkorruptionsbehörde gegen den Willen des Präsidenten, brachte das Fass zum Überlaufen und immer mehr Künstler dazu, selber zu Aktivisten der Protestbewegung zu werden.
Ein Schauspieler sollte kein politischer Aktivist sein. Aber das gilt nur für ein normales Land.
Etwa den in ganz Rumänien bekannten Schauspieler Marius Manole: "Es fiel mir schwer, mich den Demonstranten anzuschließen. Ein Schauspieler gehört auf die Bühne und sollte kein politischer Aktivist sein. Aber das gilt nur für ein normales Land, nicht für ein Land, in dem Politiker über Nacht Gesetze erlassen, die ihren persönlichen Interessen dienen. Aber genau in so einem Land leben wir. Und alles, was geschieht, betrifft ja auch uns, die Künstler. Erst unter den Demonstranten habe ich bemerkt, wie sehr die Menschen auf uns schauen. Das haben wir Künstler erst in dieser Woche verstanden, die wir mit allen gemeinsam auf der Straße verbrachten."
"Keine politischen Ämter für vorbestrafte Täter"
Öffentlichkeitswirksam hatte Marius Manole mit vielen andern Künstlern eine Petition unterzeichnet. In ihr wird das Parlament aufgefordert, ein Gesetz zu erlassen, dass es vorbestraften Tätern verbietet, politische Ämter zu bekleiden. Davon aber, sagt die Schriftstellerin Liliana Corobca, gebe es im rumänischen Parlament aber gleich mehrere.
Die Soziologin und Schriftstellerin ist sich nicht sicher, wie die Politik auf die jüngsten Kundgebungen reagieren wird. Im Moment, so meint sie, versuche die Regierung alles auszusitzen und einfach zu schweigen. Corobca glaubt nicht, dass die zum ersten Mal massiv durch junge, europäisch gesinnte Diasporarumänen organisierten Proteste etwas ändern werden.
"Protestieren - ja, Verantwortung übernehmen - nein"
"Als ehemalige Forscherin über Diaspora und Exil stellte ich fest, dass die rumänische Diaspora keine Führungspersönlichkeit hat. Das war während des Kommunismus anders. Viele Intellektuelle verließen das Land und einige von ihnen bildeten sogar eine Exilregierung. Ich finde es zwar großartig, dass die Auslandsrumänen die Proteste unterstützen. Aber egal wie gerechtfertigt ihre Forderungen sind, wenn sie keine realen Lösungen vorschlagen, führen die Proteste ins Nichts."
Dem stimmt auch Filip Florian zu: "Das einzige, was ich noch hoffe, ist, dass eine dritte und neue politische Kraft auftaucht, die mit all dem, was nicht durch die politischen Seilschaften der Gegenwart kontaminiert ist. Wir brauchen eine Alternative, die in keinerlei Komplizenschaft mit der gegenwärtigen Macht steht."
Das Hauptproblem der Rumänen sei, meint Filip Florian, dass alle nur protestieren wollen. Aber niemand sei bereit, Verantwortung zu übernehmen.