Kragen von Michael Kleeberg

LOTHAR KÖTHE

Ex libris

Der Idiot des 21. Jahrhunderts

Michael Kleebergs aktueller Roman ist eine unterhaltsame Annäherung an Goethes "West-östlichen Divan".

Der mehrfach preisgekrönte, deutsche Schriftsteller und Übersetzer Michael Kleeberg hat 15 Jahre lang Material für seinen Roman "Der Idiot des 21. Jahrhunderts" gesammelt: Geschichten, Anekdoten, Schicksale und historische Fakten.

Buchcover

GALIANI BERLIN

Ausgangspunkt war eine Reise in den Libanon, auf die sich der Autor 2002 begeben hatte. Diese für ihn erste Begegnung mit dem Nahen Osten faszinierte ihn so sehr, dass er der Region ein Buch widmen wollte. Dafür hat sich Michael Kleeberg an Goethes Gedichtsammlung "West-östlicher Divan" orientiert; der Untertitel seines Romans lautet "Ein Divan".

"Ein Divan ist, das ist eigentlich die Hauptbedeutung, einfach eine Zusammenkunft", erklärt der Autor: "Unterschiedliche Menschen sitzen zusammen und erzählen sich gegenseitig ihre Geschichten."

Abwechslungsreiche Unterhaltsamkeit

Eine Gruppe von Freunden hat sich in einem Haus bei Frankfurt versammelt, um zu musizieren, zu essen, zu plaudern. Es sind sehr unterschiedliche Figuren, die Michael Kleeberg hier zusammenbringt. Da wären zum Beispiel Bernhard, genannt TK, ehemaliger Leiter eines Vereins für Jugendsozialarbeit, und seine Frau Ulla; die iranische Musikerin Maryam, die aus ihrer Heimat fliehen musste, weil sie dort nicht mehr singen durfte; der arabische Lyriker Kadmos; der libanesische Pastor Younes; der polnische Handwerker Zygmunt; die betagte Martha. Und schließlich Hermann mit seiner Gitarre - einst Philosophiestudent, später Aussteiger, inzwischen Lehrer. Er ist die heimliche Hauptfigur.

"Hermann ist jemand, der mit seiner Güte und seiner Ehrlichkeit an die Grenzen bürgerlichen Funktionierens stößt", so der Autor.

Michael Kleeberg nimmt seiner Leserschaft auf eine Reise mit, die kreuz und quer durch Deutschland und den Nahen Osten führt. Sie ist voller Geschichten - manche traumhaft oder mythologisch, andere ganz konkret: Drei deutsch-libanesische Paare erleben die zunehmenden Spannungen in Beirut hautnah mit; der Lyriker Kadmos trauert um seinen Islam; Pastor Younes schreibt eine Gartenoper, um die Menschen einander näherzubringen; Hermann diskutiert leidenschaftlich über die Frage der Freiheit und ein gewisser Hansjörg Schneider erinnert sich an seine erste Reise nach Beirut als Mitarbeiter einer UN-Kommission.

Michael Kleeberg

LOTHAR KÖTHE

Michael Kleeberg

Monumental und leichtfüßig

Es geht um Flucht und Flüchtlingsschicksale, darum, wie sich Kulturen gegenseitig bereichern können, aber auch um kulturelle Zusammenstöße, wenn etwa ein deutscher Salafi zu Wort kommt oder ein syrisch-christlicher Hausmeister in Deutschland über seine Furcht vor der Islamisierung spricht.

"Der Idiot des 21. Jahrhunderts" ist ein monumentales und dennoch leichtfüßiges Buch geworden, ein Buch wie ein persischer Teppich, dessen einzelne Geschichten ein leuchtendes Muster ergeben, ein kluges Buch voller Anspielungen, in dem sich Orient und Okzident annähern und immer wieder Mythen und Sagen durchschimmern - etwa in der Liebesgeschichte zwischen Hermann und Maryam, einer modernen Variante der persischen Sage von Leila und Madschnun. Michael Kleeberg türmt Geschichte auf Geschichte, wechselt scheinbar mühelos Ton, Stimme und Genre und liefert damit ein Werk voller Tiefgang, das gleichzeitig bestens zu unterhalten versteht.

"Ich wollte, dass sich der Leser sozusagen mir als Kapitän anvertraut auf einer Schiffsreise mit unterschiedlichen Ausblicken und unterschiedlichen Wellengängen."

Service

Michael Kleeberg, "Der Idiot des 21. Jahrhunderts - Ein Divan", Verlag Galiani Berlin

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