Herbert Blomstedt

Herbert Blomstedt (c) ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Matinee & Opus

Herbert Blomstedt am Pult und im Studio

Tosenden Applaus und Standing Ovation gab es im Musikverein als Herbert Blomstedt und die Wiener Philharmoniker 2017 Mozarts große Es-Dur-Symphonie und die "Romantische" von Bruckner spielten. Am Nationalfeiertag sendet Ö1 einen Mitschnitt des Konzertes und spricht mit dem Altmeister über dessen Landsmann, den Komponisten Fritz Berwald.

Herbert Blomstedt ist einer der wenigen Dirigenten, die sich im Laufe ihres Lebens immer weiterentwickelt haben. Er geht immer wieder neu an die Werke heran", sagt der Dresdner Cellist Bernward Gruner. Er durfte 1979 gleich nach seinem Einstieg bei der Staatskapelle Dresden mit Blomstedt auf eine große USA-Tournee gehen. Wochenlang fuhr man mit dem Bus kreuz und quer durchs Land. Der Chef wollte keine Privilegien, nahm wie alle anderen im Bus Platz. Er dolmetschte für die Musiker, kümmerte sich um Kranke und trug älteren Kollegen sogar den Koffer, erinnert sich der Cellist. Blomstedt war 1975 nach Dresden gekommen und blieb zehn Jahre. Dass er noch vor dem Fall der Mauer ein ostdeutsches Orchester übernahm, war eine kleine Sensation. Wie er das Amt dann ausführte, hat ihm höchste Achtung eingebracht.

Berufswunsch: Lokführer

Blomstedt wurde 1927 als Sohn schwedischer Eltern, eines Predigers und einer Pianistin, in den USA geboren. Von seiner Mutter erhielt er ersten Musikunterricht. Im Kindesalter wäre er nach eigenem Bekunden am liebsten Lokführer geworden. Als Maturant hatten es ihm Fächer wie Mathematik, Geschichte, Geografie und Sprachen angetan. Auf den Spuren seines Vaters hätte er auch Theologie studieren können. Doch schließlich entschied er sich für die Musik, studierte in Stockholm Geige, später auch Dirigieren unter anderem bei Leonard Bernstein. 1954 gab Blomstedt sein Dirigentendebüt mit den Stockholmer Philharmonikern.

Staatskapelle Dresden

Erste Chefpositionen nahm er beim Orchester in Norrköping, bei der Osloer Philharmonie und dem Dänischen Radio-Sinfonieorchester ein. Wenn man mit Blomstedt über seine Anfänge spricht, berichtet er nicht nur detailliert über jede dieser Stationen. Er ist auch voller Dank dafür, dass er sich dort ein großes Repertoire erarbeiten konnte. 1969 debütierte er bei der Staatskapelle Dresden, die sechs Jahre später seine neue künstlerische Heimat wurde. Nach der für ihn überaus erfolgreichen Zeit an der Elbe machte er das San Francisco Symphony Orchestra zu einem führenden Klangkörper der USA.

Gewandhausorchester in Leipzig

1996 kehrte er nach Deutschland zurück, leitete zunächst das NDR-Sinfonieorchester. 1998 folgte die Stelle als Gewandhauskapellmeister in Leipzig. "Herbert Blomstedt ist als Mensch, Musiker und Dirigent eine Ausnahmeerscheinung", sagt Gewandhausdirektor Andreas Schulz. In Leipzig verehre man ihn wohl wie keinen anderen Musiker. Schulz nennt Blomstedt einen "begnadeten Lehrer, ausgezeichneten Zuhörer und sehr guten Ratgeber". Zudem sei er stets auf der Höhe der Forschung: "Das Studium und das Suchen nach Neuem ist seine Leidenschaft."

Man wird nie fertig, auch mit den größten klassischen Werken

Tatsächlich beginnt Blomstedt noch heute seinen Tag mit Partitur-Studium. Das ist so etwas wie Frühsport für den Maestro. "In jedem Konzert gibt es Stellen, die ich im Rückblick etwas anders machen würde - auch wenn ich insgesamt zufrieden war", sagt der bekennende Siebenten-Tags-Adventist, der am Samstag keine Interviews gibt, keine Partituren studiert und nicht probt, aber Konzerte dirigiert, weil "Musizieren Gottesdienst" sei. Den möglichen Änderungsbedarf notiert er sich in der Partitur - als Anregung für das nächste Mal: "Das ist ein Work in Progress - man wird nie fertig, auch mit den größten klassischen Werken."

Der Komponist Franz Berwald

Singulär, auch kapriziös, war das Schicksal des 1796 in Stockholm geborenen Komponisten Franz Berwald. Seine Musik war seriös, keinesfalls naiv. Diese Eigenschaftswörter wählte er als Titel für seine vier Symphonien. Er war Physiotherapeut avant la lettre, Fabriksmanager, Grundstücksmakler. Was ihn als Komponist seiner Zeit voraus sein ließ und warum seine Musik in Wien und Salzburg mehr Anerkennung als in seiner schwedischen Heimat fand, erkundet Herbert Blomstedt, der seit gut 60 Jahren immer bereit ist, "für Berwald eine Lanze zu brechen" in der Sendung "Opus". Zudem liest Burgschauspieler Peter Matic aus Berwalds Wiener Briefen.

Text: APA/dpa/Red.