MAK-Ausstellungsansicht, 2018 SAGMEISTER & WALSH: Beauty Bildmitte: Nils Völker, Two Hundert and Seventy, 2018

MAK/ASLAN KUDRNOFSKY

Ausstellung

"Beauty" folgt "Happy" - Sagmeister im MAK

Nach der überaus erfolgreichen "Happy Show" vor drei Jahren widmet sich der Grafikdesigner Stefan Sagmeister im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) nun der Schönheit. Gemeinsam mit seiner New Yorker Bürokollegin Jessica Walsh entwickelte er die Schau "Beauty", die nach dem MAK auch in anderen Häusern zu sehen sein wird.

Mittagsjournal | 23 10 2018

Judith Hoffmann

Durch einen Nebelvorhang schlüpft man hinein in die schöne multimediale Ausstellungswelt, die gleich im Foyer anhand verschiedener Kunstobjekt und Mitmach-Stationen fragt: Was ist Schönheit?

Stefan Sagmeister & Jessica Walsh

Stefan Sagmeister & Jessica Walsh

JOHN MADERE

Nicht im Auge des Betrachters

"Das Schlimmste, was der Schönheit passieren konnte, ist der Ausspruch, sie liege im Auge des Betrachters", sagt Stefan Sagmeister. Vielmehr könne man nachweisen, "und das tun wir auch in der Ausstellung, dass die Hälfte, also ein sehr hoher Prozentsatz, universal ist, was Menschen als schön empfinden." So gelte weltweit die Farbe Blau als die schönste, und rund um den Globus finden Menschen Gefallen an Symmetrie und Kreise schöner als Dreiecke oder Quadrate.

Wie sehr das eigene Schönheitsempfinden dem anderer Ausstellungsbesucherinnen und -besucher ähnelt oder davon abweicht, kann man feststellen, wenn man durch Münzeinwurf das schönste Bild wählt, auf einer Videowall per Joystick einen Vogelschwarm über den Himmel lenkt oder sein eigenes Ornament entwirft, dass dann auf eine Leinentasche gedruckt werden kann.

Schön seit Menschengedenken

Die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch war Schönheit ein wichtiges Kriterium, erst im 20. Jahrhundert habe sie radikal an Bedeutung verloren, so Sagmeister. "Der Bruch kam nach den traumatischen Erlebnissen des Ersten Weltkriegs. Damals stellten Künstler wie Duchamp oder Ernst desillusioniert fest, dass herkömmliche gesellschaftliche Werte nicht mehr funktionierten, darunter auch Schönheit."

Doch nun sei es höchste Zeit, diese Phase zu überwinden, und die Schönheit zurück in Kunst und Literatur, Design und Architektur zu bringen, gewissermaßen zum Wohle der Menschheit, wie Sagmeister betont. Hätte man zum Beispiel die hässlichen Wohnblöcke der 70er Jahre mit etwas mehr Augenmerk auf Schönheit entworfen, hätte man sie in den 90er Jahren nicht abreißen müssen, so der Grafikdesigner.

Ausstellungsansicht

MAK/ASLAN KUDRNOFSKY

Schön ist nachhaltig und heilsam

Was schön ist, währt also länger - man denke an aufwändig restaurierte Denkmäler - und ist zudem heilsamer für die menschliche Psyche, wie die Ausstellungsmacher in Zusammenarbeit mit dem Wiener Psychologen Helmut Leder zeigen.

In schöner Umgebung fühlen sich Menschen wohler und benehmen sich auch besser, zum Beispiel auf der New Yorker Highline, einer ehemaligen Bahntrasse, die zu einer zwei Kilometer langen Parkanlage umfunktioniert wurde, erzählt Sagmeister: "In sieben Jahren, bei 36 Millionen Besuchern, gab es dort keinen einzigen nennenswerten Kriminalfall. Ich gehe dort jeden Tag um sieben Uhr joggen und nie sieht man weggeworfene Plastikbecher oder Papierchen."

Mitmach-Show durchs ganze Haus

Warum nur funktional und praktisch, wenn es dazu noch formschön sein könnte, lautet also das Credo von Stefan Sagmeister und Jessica Walsh, dem man buchstäblich in jedem Winkel des Hauses begegnet. Da hängt neben dem Heizkörper im Stiegenhaus der Entwurf eines Alternativvorschlags in Form eines Ornaments, neben dem Feuerlöscher im Keller ein zweiter, der in mexikanischer Kunsthandwerkstradition über und über mit kleinen Perlen bestickt ist. Und auf der Toilette hat man die Qual der Wahl zwischen sechs verschieden bedruckten Toilettenpapieren.

"Wenn die Besucherinnen und Besucher aus der Ausstellung mitnehmen, dass Schönheit nicht sinnlos und oberflächlich ist, sondern grundlegend damit zu tun hat, was es heißt, Mensch zu sein, das wär mein Idealzustand", sagt Stefan Sagmeister über seine wie immer höchst aufwendig und dabei betont niederschwellig gestaltete interaktive Ausstellung, die das gesamte MAK und seine Sammlungen mit einbezieht.

Hohe, anspruchsvolle Kunst darf man hier nicht erwarten, dafür eine vergnügliche Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem Wesen der Schönheit. Und allein der kunstvolle Katalog mit Silberschnitt ist eine optische Wohltat.

Gestaltung