Jair Bolsonaro

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Präsidentschaftswahlen

Rechtsruck in Brasilien

Der ultrarechte Kandidat Jair Bolsonaro hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien gewonnen. Mit 55 Prozent der Stimmen hat er sich gegen Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei (PT) durchgesetzt. Der ehemalige Militär Bolsonaro polarisiert das Land. Immer wieder gab es während des Wahlkampfs riesige Kundgebungen gegen ihn.

Gepunktet hat der ehemalige Militär Jair Messias Bolsonaro insbesondere bei gut verdienenden und höher gebildeten Bevölkerungsgruppen, bei Männern, sowie bei wertkonservativen Anhängern der evangelikalen Pfingstkirchen in Brasilien. Zunehmend hat er aber auch Anhänger in den Armenvierteln und bei ehemaligen Wählern der linken Arbeiterpartei gefunden.

Der einzig ehrliche Politiker?

Brasilien wurde in den vergangenen Jahren von einer Wirtschaftskrise und von riesigen Korruptionsaffären gebeutelt. Zahlreiche Politiker – quer durch fast alle Parteien – waren involviert. Das habe das Vertrauen in die gesamte politische Klasse erschüttert – und ganz besonders in die Arbeiterpartei (PT), erklärt die Sozialforscherin Esther Solano aus Sao Paulo.

Viele Brasilianer sehen in Bolsonaro den einzigen, der ehrlich ist. Einst war die Arbeiterpartei (PT) als Protestpartei gegen das konservative System angetreten – hatte der Korruption der Eliten den Kampf angesagt. Doch heute symbolisiere die Figur Bolsonaro das Rebellentum, erklärt Esther Solano, insbesondere für junge Menschen.

  • Ein Umzug für Haddad. Demonstranten schwingen die rote Fahne der PT, sowie eine Brasilienfahne.

    Afrobrasilianische Musikgruppen in Recife machen Wahlwerbung für Haddad. Sie fürchten einen zunehmenden Rassismus unter einem Präsidenten Bolsonaro.

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  • "Jesus Christus war nicht für Gewalt. Er hat Liebe und Frieden gepredigt. Sag Nein zu falschen Propheten. Wähle Respekt, Wähle PT." Mit solchen Botschaften versuchen Aktivisten der Arbeiterpartei religiöse Bolsonaro-Wähler umzustimmen.

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  • "Gott über allem. Brasil über allem". So lautet der Slogan von Jair Bolsonaro.

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  • Auf Wahlkämpfer der ultrarechten Partei von Jair Bolsonaro traf man in den letzten Tagen vor der Wahl nur sehr vereinzelt. Ihr Kandidat lag ja ohnehin weit in Führung in den Umfragen.

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  • Wahlkampfveranstaltung mit Fernando Haddad in Rio de Janeiro.

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  • "Lula livre" (Freiheit für Lula) fordern diese Aktivist/innen. Der Ex-Präsident wurde in einem umstrittenen Prozess zu 12 Jahren Haft wegen Korruption verurteilt. Seine Anhänger vermuten, dass dies nur inszeniert wurde, um ihn von der Wahl fernzuhalten.

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  • Der ultrarechte Kandidat punktet vor allem bei wohlhabenden und höher gebildeten Brasilianer/innen. Zunehmend aber auch bei ärmeren Schichten.

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  • "Noch unentschlossen? Willst du drüber reden?" In den letzten Tagen vor der Stichwahl waren auf allen Plätzen der Stadt unzählige Aktivist/innen unterwegs, um Stimmen für Haddad zu gewinnen. "Vira voto" - die Wählerstimmen umdrehen, war der Titel der Kampagne.

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Die Gegner von Bolsonaro betrachten ihn als große Gefahr für die brasilianische Demokratie. Immer wieder hat der ehemalige Militär die brasilianische Diktatur und ihrer Folterer verherrlicht, hat gemeint, die Wähler der Arbeiterpartei gehören an die Wand gestellt und abgeknallt, hat sexuelle Gewalt gegen Frauen verharmlost, gegen Homosexuelle, Afrobrasilianer und Arme gewettert.

Nur ein kleiner Teil seiner Anhänger sei ebenso radikal eingestellt, betont Sozialforscherin Solano. Die Mehrheit der Bolsonaro-Wähler wünsche sich keineswegs eine neue Diktatur. Sie betrachten ihn nicht als anti-demokratisch, sondern als entschlossen und durchsetzungsfähig. Sie sagen, was wirklich zählt ist: er werde die Wirtschaft ankurbeln, die Korruption bekämpfen, für Sicherheit sorgen.

Gewalt auf den Straßen

Der Wahlkampf in Brasilien war hässlicher als je zuvor. In den vergangenen Wochen ist es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen gekommen. Nicht nur, aber vor allem von Seiten der Bolsonaro-Anhänger: In Salvador hat ein Bolsonaro-Fan einen Capoeira-Lehrer mit 12 Messerstichen getötet, in Sao Paulo wurde ein Transvestit von Bolsonaro-Anhängern erstochen, in Rio ein Student, der Flugblätter der PT verteilte, mit einer Eisenstange attackiert.

Gewalt sei ja nichts Neues in Brasilien, sagt der Journalist Alexandre Santos. Aber diese Form der politisch motivierten Gewalt sehr wohl. Angefangen habe es eine Woche vor dem ersten Wahldurchgang. Danach häuften sich Attacken auf Anhänger der Arbeiterpartei und auf Menschen, die einen Aufkleber der Anti-Bolsonaro-Kampagne „Ele não“ (er nicht) trugen.

Fake News Kampagnen im Netz

Der Wahlkampf tobte auch im Internet. Die Meinung der Wähler sei in diesem Wahlkampf so massiv von Fake News-Kampagnen manipuliert worden – wie nie zuvor. Und da seien durchaus Profis am Werk gewesen, sagt Eduardo Magrani vom Institut für Internet und Demokratie in Rio de Janeiro. Via Big Data – also riesiger Sammlungen personenbezogener Daten - können die Politikberater, die mit Fake News und Chatrobotern arbeiten, jene Personen herausfiltern, die noch unentschlossen sind. Für die entwickelt man dann zielgruppengerechte Botschaften, die deren jeweilige Ängste ansprechen. Das nennt man Microtargetting.

Das bevorzugte Medium zur Verbreitung solcher Fake News-Kampagnen ist in Brasilien WhatsApp. Grundsätzlich haben bei dieser Wahl fast alle politischen Lager professionell erstellte Lügengeschichten über ihre Gegner verbreitet, betont Magrani. Die überwiegende Mehrheit sei aber aus dem Bolsonaro Lager gekommen. Im Sommer hat sich ein Sohn Bolsonaros mit Steve Bannon getroffen, dem ehemaligen Wahlkampfleiter von Donald Trump und Experte für professionelle Hetzkampagnen. Es gebe allerdings keine Zusammenarbeit mit Bannon, betont das Team Bolsonaro. Facebook und WhatsApp haben hunderte Nutzerprofile gesperrt, die zweifelhafte Inhalte in Umlauf brachten.

Illegale Wahlkampffinanzierung?

Fotomontagen von Haddads Vize Manuela D’Avila mit Lenin- und Marx-Tattoo sollten die Mittelschicht verschrecken, Haddad im Luxus-Ferrari die ärmeren Schichten. Haddad plant Attacken auf Familie und Moral – lautete die Botschaft für die streng religiösen Brasilianer. Es kursierten Fotos von Babyfläschchen, mit Saugaufsatz in Form von Penissen, die habe Haddad angeblich an Kinder verteilen lassen.

Die Fake News gegen die Arbeiterpartei beschäftigten zuletzt auch Polizei und Wahlbehörde. Mehrere Unternehmen haben offenbar – zur Unterstützung Bolsonaros - massenhaft Werbepakete bei WhatsApp gekauft, um diese Botschaften zu verbreiten. Das fällt in Brasilien unter illegale Wahlkampffinanzierung. Aufgedeckt hat diesen Skandal die Tageszeitung Folha de São Paulo. Seither klagen Journalisten dieser Zeitung über Drohungen und Hassmails von Bolsonaro-Anhängern.

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