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Roman von Jennifer Egan
"Manhattan Beach" – New York im Krieg
Mit ihrem experimentierfreudigen Roman "Der größere Teil der Welt" gewann Jennifer Egan 2011 den Pulitzer-Preis. Jetzt legt sie mit "Manhattan Beach" einen historischen Roman vor, der im New York der 1930er und 40er Jahre spielt und auf den ersten Blick recht konventionell gestrickt zu sein scheint.
29. Dezember 2018, 02:00
Mittagsjournal | 27 11 2018
Wolfgang Popp
Jennifer Egans Roman "Der größere Teil der Welt" schlug 2011 ein wie eine Bombe. Die Kapitel kamen - ziemlich unverfroren - in völlig ungewohnten Erzählweisen daher, eines gar wie eine Power Point Präsentation, und zu Wort meldeten sich die verschiedensten Stimmen aus den unterschiedlichsten Zeiten. "Ich liebe es, Erzählstrategien aus anderen Medien in meine Romane einfließen zu lassen", sagt Jennifer Egan, "in meinem Roman 'Der größere Teil der Welt' war das etwa die TV-Serie 'Die Sopranos' mit ihrer seriellen Struktur und dem dauernden Wechsel der Perspektive. Bei 'Manhattan Beach' hingegen bediente ich mich bei den Geschichten Schiffbrüchiger und dem Film Noir."
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Das junge Mädchen und das Meer
"Manhattan Beach" setzt ein im Gefolge der Weltwirtschaftskrise und begleitet New York in den Zweiten Weltkrieg hinein. Protagonisten sind ein junges Mädchen, das mit dem rätselhaften Verschwinden ihres Vaters fertig werden muss und in den Kriegswerften der Navy arbeitet sowie ein mächtiger Nachtklubkönig. Sie liebe diese düstere, großstädtische Atmosphäre des Film Noir, erzählt Jennifer Egan: "Genauso wie auch die Detektivgeschichten billiger Groschenromane. Die wollte ich mit einer großen Erzählung über das Meer verknüpfen. Daneben sollte aber auch das so mächtige organisierte Verbrechen eine Rolle spielen und die Veränderungen, die Frauen damals erlebten, da sie plötzlich vor neue Herausforderungen gestellt wurden."
S. FISCHER
Die Hand auf der Zeit
Egan hat jahrelang für ihren Roman recherchiert und auch zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen geführt. Vom Spielzeug bis zu den Zigaretten, von den Autos bis zur Kleidung, spürt man deshalb die damalige Dingwelt richtiggehend beim Lesen. Was Jennifer Egan nicht genug war: "Ich glaubte zuerst, es wäre ausreichend zu wissen, was die Menschen damals anhatten und taten. Ich vergaß aber, dass wir alle von unserer Vergangenheit beeinflusst werden und das sorgte für einen unglaublichen Mehraufwand, denn ich musste auch die ganze Vorgeschichte meiner Figuren recherchieren."
Dramatische Zeiten
Gerade diese Zusammenschau ließ Jennifer Egan aber die ungeheuren Risse erkennen, die damals durch die Gesellschaft gingen: "Da gab es eine unglaubliche Bewegung und für einen Romancier wie mich sind das natürlich die interessantesten Zeiten, weil da plötzlich Entwicklungen möglich werden, die zuvor undenkbar schienen. Frauen und Afroamerikanern standen mit einem Mal Jobs offen, die ihnen früher verwehrt worden waren."
Wal und Detektiv
Zugegeben Jennifer Egans Experimentierfreude tritt in "Manhattan Beach" nicht so offen zu Tage wie in ihren früheren Büchern. Mit den fließenden Perspektivenwechseln und einem Erzählen, das immer wieder Lücken aufklaffen lässt, bevor es sie erst hunderte Seiten später wieder schließt, zeigt sie aber, welcher Schalk ihr im Nacken sitzt. Und eine Meditation über das Meer frei nach Melvilles Moby Dick und eine Gangsterstory Marke Raymond Chandler zusammen in ein Buch zu packen, ist ja auch nicht gerade eine Allerweltsidee.
Gestaltung
- Wolfgang Popp