PIPER VERLAG
Roman von Didi Drobna
Als die Kirchen den Fluss überquerte
Didi Drobnas zweiter Roman erzählt vom Zerbrechen einer Familie und dem Finden der eigenen Identität.
11. Jänner 2019, 12:00
Ex libris | 09 12 2018, 16:00 - Rezension von Carsten Otte
Radiogeschichten | 10 12 2018, 11:05
Es ist keine Seltenheit, dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die noch am Anfang Ihrer literarischen Karriere stehen, eine Art Doppelexistenz führen. Didi Drobna, geboren 1988 in Bratislava und seit 1991 in Wien lebend, arbeitet in der IT-Branche, was ihr offenbar nicht ausgereicht hat, denn 2014 erschien ihr Debütroman "Zwischen Schaumstoff". Einige Stipendien und Auszeichnungen hat Drobna für ihre literarische Arbeit bislang erhalten, und nun ist im Piper Verlag ihr zweiter Roman erschienen.
Starke Erzählperspektive
Der Roman mit dem zunächst rätselhaften Titel "Als die Kirche den Fluss überquerte" beginnt mit der kurzen Beschreibung eines schönen Sommers. Eine vierköpfige Familie macht Ferien am Strand, am Ende des Urlaubs ist Vater Dieter aber nicht mehr da. Er trennt sich von seiner Frau Lieselotte und zunächst auch von seinen beiden Kindern Daniel und Laura. Wir Leser verfolgen die vielen dramatischen, aber auch humorvollen Wendungen, die das Buch im Folgenden bereithält, aus der Sicht von Daniel, der das Auseinanderbrechen seiner Familie nicht verkraftet. Der Autorin gelingt diese Rollenprosa, weil sie aus der durchaus anspruchsvollen Erzählperspektive eine vielschichtige Figurenpsychologie entwickelt.
Didi Drobna über die Figur Daniel
Eine dieser Ecken, die zum emotionalen Ersatzschauplatz wird, ist das Verhältnis zur Schwester. Daniel weiß nicht so recht, wohin er mit all seinen Gefühlen soll, und so verliebt er sich ausgerechnet in Laura, zumindest bildet er sich diese Liebe ein. Wir durchleben seine Seelenpein in oft grotesken inneren Monologen, die demütige Sehnsucht und Größenwahn gleichermaßen enthalten.
Aberwitzige Szenen
Daniel wird nicht nur akzeptieren müssen, dass seine Familie zerbrochen ist, sondern auch die Hoffnung aufgeben, ausgerechnet das Mädchen lieben zu können, mit dem er aufgewachsen ist. Spätestens hier wird aus dem Familienroman ein Coming-of-Age-Format, das abwechslungsreich gestaltet ist, auch weil es eine Reihe von interessanten Nebenfiguren gibt. Da ist Großcousine Miriam, eine erfolgreiche Künstlerin, die so herzlich wie schroff auftritt. Außerdem lernen wir Onkel Billy kennen, ein Lebemann, der schon mal in Sado-Maso-Montur durchs Haus geistert.
Diese mit viel Situationskomik ausgestatteten Erzählstränge bilden eine Art literarische Rampe für ein weiteres Trennungsdrama, das Daniel zu durchleiden hat und das schließlich alles überwölbt: Denn die Mutter erkrankt an einer Parkinson-Demenz. Es ist eine schreckliche Krankheit, die auch verhältnismäßig junge Menschen in den Tod schickt und die nicht zuletzt dem Umfeld der Patienten große Anstrengungen abverlangt - wie Didi Drobna in ihrem Roman anschaulich beschreibt.
Am Anfang merkt es die Familie gar nicht …
Es gibt einen zentralen Gedanken in dem ohnehin gedankenschweren Roman: "Jede Beziehung endet", heißt es da. Und: "Auch die Beziehungen, die nicht enden, enden." Mal führen Krankheiten, mal fehlende Liebe zum Ende einer Beziehung. Für Daniel bedeutet diese Einsicht, dass er sich aus der "Mutterwelt" lösen kann und dass er den Vater nicht länger zum Bösewicht machen muss, auch wenn er die Familie verlassen hat. "Scheidungszufrieden" wie es im Therapeutendeutsch heißt, wird sich Daniel in seinem Leben nicht mehr fühlen, aber nach den vielen Trennungen begreift er schon in jungen Jahren, dass er sich auch um sich selbst und um neue Beziehungen kümmern darf - auch wenn die eines Tages wieder enden.
PIPER VERLAG
Familie bis in den Tod
Selbst der Tod verliert ein wenig seinen Schrecken, als Daniel im Fernsehen eine Kirche sieht, die über einen Fluss transportiert wird. In den TV-Bildern findet er die Metapher für seine Lebenssituation, in dem die Mutter die Kirche und er das Weiterfließende ist. Didi Drobna geht mit solchen Analogien sparsam um, und das ist nicht zuletzt wegen der Erzählperspektive durchaus angemessen.
Die Qualität ihres Romans besteht nicht zuletzt in der punktgenauen Wahl der literarischen Mittel für ganz unterschiedliche Stimmungen. So wie die Szenen es jeweils verlangen, weiß Didi Drobna nicht nur Aberwitz und Übermut, sondern auch Melancholie, Wut und Trauer mal im schnellen Dialog-Klipp-Klapp, dann wieder im nachdenklichen Reflexionsmodus einzufangen. So ist der Text auch ein Versprechen auf weitere Arbeiten der jungen Autorin.
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Didi Drobna, "Als die Kirche den Fluss überquerte", Piper Verlag