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Internationale Agenturen
Wie Reuters, Bloomberg & Co. arbeiten
Agenturjournalismus ist ein stressiger Job. Jede Sekunde zählt, aber jeder Fehler hat große Folgen. Der Wettbewerb unter den internationalen Nachrichtenagenturen wie Reuters, Bloomberg und AFP ist hart. Die Kunden sind die großen Rundfunkanstalten der Welt, Verlage, Regierungen oder Banken. Tausende Nachrichten flimmern täglich über den Ticker, die Journalisten stehen im Hintergrund. Ihre Verantwortung wird immer größer, je mehr andere Medien auf sie angewiesen sind.
18. Februar 2019, 02:00
Wie die großen Nachrichtenagenturen der Welt arbeiten - also AP, Reuters, Bloomberg oder die Agence France Presse – und was sie berichten, das beeinflusst maßgeblich, was wir von der Welt wissen, und was nicht. Reuters ist eine der bekanntesten Agenturen, gegründet 1851 in London. Mehr als eine Milliarde Menschen lesen, hören oder sehen die News von Reuters jeden Tag, sagt Mike Shields, Büroleiter in Wien. Mehr als 750 Rundfunkanstalten und 1000 Zeitungsverlage verlassen sich auf die Berichterstattung der rund 2000 Journalisten, die in mehreren Sprachen arbeiten.
Die letzten großen News-Netze
"Ich bin seit mehr als 30 Jahren dabei, und ich sehe, dass es immer weniger Kollegen gibt von den Zeitungen, Zeitschriften und Sendern. Die Nachrichtenagenturen sind die letzten großen Netze, die für die Welt Infos holen, das ist eine große Verantwortung", so Shields.
Unparteilichkeit, Unbestechlichkeit und Fehlerfreiheit sind da die obersten Prinzipien. Jeder Fehler schadet der Glaubwürdigkeit der Agenturen, die miteinander in Konkurrenz stehen. Die Kunden zahlen im Jahr viele tausend Dollar oder Euro. Der Zugang zu Bloomberg zum Beispiel, die ja neben den News auch viele Daten und Analysen von Finanzmärkten liefern, kostet derzeit etwa 20.000 Dollar im Jahr.
"Get it first, but first get it right"
In der Finanzbranche gilt: Wer eine wichtige Info zuerst hat, hat einen Vorteil. Aber nur ein falsches Wort, und es kann viel Geld verloren gehen. Ihr oberstes journalistisches Prinzip predigen die Chefs bei Bloomberg regelrecht. Der Wiener Bürochef Boris Groendahl: "Get it first, but first get it right. Die Korrektheit unserer Informationen ist ein absolutes, nicht hintergehbares Prinzip."
Vertrauen ist die Geschäftsgrundlage aller Agenturen. Deshalb wird in Nachrichtenagenturen auch alles von mindestens ein bis zwei Personen gegengelesen, bevor es veröffentlicht wird. Reuters, Bloomberg, die AP und die AFP haben jeweils etwa 2000 Journalisten.
Das Ego spielt keine so große Rolle
Sie machen einen wichtigen Job, dennoch stehen die Agenturjournalisten in der zweiten Reihe. Anders als ihre Kollegen und Kolleginnen bei Zeitungen oder im Fernsehen sind ihre Namen kaum bekannt. Das ist ein Vorteil, sagt die Chefin der Agence France Presse – kurz AFP - in Wien, Sophie Makris. "Das hat den Vorteil, dass wir weniger Ego haben, wir arbeiten nicht, um unsere Namen bekanntzumachen."
Österreich ist interessanter geworden
Die internationalen Agenturen haben natürlich auch einen besonderen Blick auf Österreich - die großen Unternehmen des Landes sind interessant, die OPEC, die den Ölpreis bewegt, oder die Internationale Atombehörde, sagt Mike Shields von Reuters. Lange Zeit war die österreichische Innenpolitik kaum relevant, aber seit der langwierigen Bundespräsidentenwahl und dem Antreten der ÖVP-FPÖ-Regierung wollen internationale Medien mehr wissen.
"Was bei Investoren Interesse findet, ist die Frage, wie steht es um Recht und Ordnung", sagt Groendahl, besonders gefragt seien auch Informationen über "Vetternwirtschaft". "Wir berichten seit zwei Jahren viel mehr über die österreichische Politik", sagt auch die französische Journalistin Makris.
Die Geschäftsmodelle neben den News
In Laufe der vergangenen Jahre sind die Büros der großen Agenturen in Wien aber kleiner geworden, übriggeblieben sind je eine Handvoll Mitarbeiter - weil auch die Agenturen unter finanziellem Druck stehen. Dabei ist die Not unterschiedlich groß, je nach dem Geschäftsmodell.
Reuters gehört zum kanadischen Medienkonzern Thomson, der die Agentur vor elf Jahren übernommen hat - ThomsonReuters, wie der Konzern heißt, ist an den Börsen von New York und Toronto gelistet und muss Gewinne für Investoren abwerfen. Der Konzern verdient sein Geld mit Fachinformationen für Rechtsanwälte, Steuerexperten und Unternehmen - nicht mit dem internationalen Nachrichtengeschäft, das macht nur sechs Prozent des Umsatzes aus. Zuletzt wurde wieder ein großer Mitarbeiterabbau angekündigt, das hat den Aktienkurs dann auch sofort beflügelt.
Geld vom Staat oder vom Milliardär
Bloomberg hat es da leichter, die Agentur gehört dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister und Milliardär Mike Bloomberg, und falls dieser der nächste Präsident der USA werden sollte, will er sein Business verkaufen, das hat er schon angekündigt.
Die Agence France Press hingegen ist abhängig vom französischen Staat, der sei zwar nicht Eigentümer, aber Hauptkunde, sagt Sophie Makris. Die Agentur werde aus nationalem Interesse gefördert, zusammen mache das 40 Prozent der Finanzierung aus. Laut Makris ein problematisches Verhältnis: "Wir sind abhängig vom Staat und müssen jedes Jahr um unser Geld kämpfen."
Die AFP hat in ihrer Berichterstattung einen besonderen Fokus auf Afrika. Auch die AFP kann vom Nachrichtengeschäft alleine nicht leben, sie bietet ebenfalls Fachinformationen an und lebt zunehmend vom Verkauf von Bildern und Videos. Wenn man die Wahl habe zwischen einem neuen Textredakteur und einem Videoredakteur, dann falle die Entscheidung für mehr Videos, sagt Makris.
Bilder sind wichtiger als Text
Auch für die Austria Presse Agentur APA und die Deutsche Presseagentur DPA sind zusätzliche Dienstleistungen für das Geschäft unerlässlich. Beide Agenturen gehören ihren Kunden, den Zeitungen und den Rundfunkanstalten, die sind Genossenschafter bzw. Gesellschafter. Auch für sie zählt der wirtschaftliche Erfolg als Grundlage für den Bestand der Agenturen: Wie die DPA Geld verdient, erklärt Geschäftsführer Peter Kropsch, der frühere APA-Chef: "Die Finanznachrichten laufen gut, auch der Bild-Einzelverkauf und unser Verbreitungsdienst für Medieninformationen. Das sind alles Dienstleistungen, die zum Kerngeschäft passen."
Ein Officer für die Wahrheit
Weniger rentable Bereiche werden aufgegeben, zum Beispiel das spanische Textservice der DPA - auch die DPA fokussiert sich für diesen Markt lieber nur auf den Verkauf von Bildern und Videos aus Deutschland, sagt Kropsch. Neu dazu kommen aber Aufgaben, die das Internet notwendig macht, die DPA hat seit kurzem etwa einen obersten Faktenchecker - genannt "Verification Officer".
Das Internet, sprich Google und die sozialen Netzwerke stellen die Agenturen auch vor eine gemeinsame Herausforderung: Viele ihrer Artikel werden online geteilt, Geld sehen sie dafür nicht. Deshalb kämpfe man für das Leistungsschutzrecht und eine faire Entlohnung durch die Internetkonzerne, sagt Sophie Makris. Guter Journalismus kostet Geld und kommt durchs Netz in Gefahr - dieses Schicksal teilen die Nachrichtenagenturen also mit allen Medien.