Käthe Leichter

ORF/DOR FILM/FAMILIENARCHIV FRANZ UND KATHY LEICHTER/ISABELLE ORSINI-ROSENBERG

Erste weibliche Betriebsrätin

Käthe Leichter

Sie war die erste Leiterin der neuen Frauenabteilung der Wiener Arbeiterkammer im Jahr 1925. Bei der Betriebsratswahl 1932 wird Käthe Leichter zur ersten weiblichen Betriebsrätin der Wiener Arbeiterkammer gewählt.

Dr.in Käthe Leichter wurde 1895 als Marianne Katharina Pick in einer jüdischen, großbürgerliche-liberale Familie in Wien geboren. Nach der Matura am Cottagelyzeum in Wien engagiert sie sich während des Ersten Weltkriegs freiwillig als Köchin im “Sozialen Hilfswerk” der Handelskammer und ist Erzieherin in einem Hort für Arbeiterkinder in Wien Döbling.

"Noch immer werden Kinder lebensunfähig zur Welt gebracht, weil die Mutter bis kurz vor der Entbindung Schwerarbeit geleistet hat, noch immer ist vor allem so gut wie nichts getan, um der Frau die dreifache Last von Erwerbsarbeit, Mutterschaft und Haushalt zu erleichtern.”

1914 beginnt Dr.in Käthe Leichter Staatswissenschaften zu studieren und reicht eine Klage beim Reichsgericht auf Zulassung der Frauen zum Studium der Rechtswissenschaften ein. Um das Österreichische Verbot zu umgehen, inskribiert sie in Heidelberg und studiert unter anderem bei Max Weber. Da sie sich aber den sozialistischen Studenten anschließt, wird sie 1917 ausgewiesen und bekommt auf Dauer des Krieges ein Einreiseverbot auferlegt.
1919 wird sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in der österreichischen Staatskommission für Sozialisierung unter Otto Bauer. Nur kurze Zeit darauf beruft sie Finanzminister Joseph Schumpeter als Konsulentin ins Ministerium. In die Geschichte geht Käthe Leichter aber als Gewerkschafterin mit Herz und Seele ein. 1925 wird sie erste Leiterin der neuen Frauenabteilung der Wiener Arbeiterkammer. Sie setzt sich für die Bildung und Weiterbildung der Betriebsräte ein, um die Bedingungen der Mitarbeiter zu verbessern. Wie wertvoll ihr Engagement war, zeigte sich in der Betriebsratswahl 1932. Käthe Leichter wird zur ersten weiblichen Betriebsrätin der Wiener Arbeiterkammer gewählt. Doch ihre jüdische Herkunft und ihr Bekenntnis zur Sozialdemokratie wird ihr, wie vielen ihrer Genossinnen und Genossen, in der NS-Zeit zum Verhängnis. 1934 wird sie aus ihren Ämtern entlassen.
Im Untergrund und unter falschem Namen versucht sie die verbotene Sozialdemokratische Partei wiederaufzubauen. Beim Versuch ihren Mann zu schützen, wird sie von einem Spitzel an die Gestapo verraten, festgenommen und nach Ravensbrück deportiert. 1942 wurde sie von den Nationalsozialisten in einem Eisenbahnwaggon bei Magdeburg vergast.
Es waren vor allem ihre Studien “Wie leben die Wiener Hausgehilfinnen” oder “Handbuch der Frauenarbeit in Österreich”, die die Gesellschaft nachhaltig veränderten. Noch im KZ Ravensbrück gab sie die SS in ihren Gedichten der Lächerlichkeit preis.

“Arbeitslos und schwanger - das heißt, jenem Augenblick, der der Frau die höchste Erfüllung bringen soll, mit den fürchterlichsten Sorgen und Ängsten entgegensehen; das heißt auch, in diesem Zustand oft stundenlang in der Kälte oder in der üblen Luft der Arbeitslosenämter Körper an Körper gepresst stehen, in diesen Räumen, die nur zu oft das ‘Sanatorium’ oder das Entbindungsheim der Gebärenden sind. Hat doch eine jüngst aufgelassene Zahlstelle unter den Arbeitslosen das ‘Entbindungsheim’ geheißen: So oft hat es sich ereignet, dass Frauen dort entbunden haben - unter der Assistenz der Polizei!”.

“Die Tatsache allein, dass der Bezug der Arbeitslosenunterstützung oder des Krankengeldes nicht als ein der schwangeren Arbeitslosen unzweifelhaft zustehendes Recht betrachtet wird, sondern von dem Zufall der gut- oder böswilligen Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen, der menschlichen oder bürokratischen Entscheidung abhängig ist, schon das ist ein unhaltbarer Zustand. Zur selben Zeit aber werden Proletarierfrauen zu Kerker verurteilt, weil sie es für verantwortlicher halten, eine Geburt, in einer Zeit des Hungers und der Not zu verhindern!”

“Noch immer löst jede Krise zuerst das Bestreben aus, die Frauen aus dem Erwerbsleben zu verdrängen, noch immer ist die Arbeit der Frau in der Regel unqualifizierte, geht die junge Arbeiterin in der Regel als ungelernte Hilfsarbeiterin in die Fabrik, steht ihre fachliche Ausbildungsmöglichkeit unter der ihrer männlichen Jugendkollegen. Noch immer werden Kinder lebensunfähig zur Welt gebracht, weil die Mutter bis kurz vor der Entbindung Schwerarbeit geleistet hat, noch immer ist vor allem so gut wie nichts getan, um der Frau die dreifache Last von Erwerbsarbeit, Mutterschaft und Haushalt zu erleichtern.”

“Die jugendliche Arbeiterin muss es lernen, Mitkämpferin auch der Gewerkschaften zu werden, dieselbe aufopfernde Kleinarbeit, aber auch dieselbe Hingabe an eine große Idee, die die politische Bewegung von ihr verlangt, auch für die gewerkschaftliche aufzubringen. Damit leistet sie wirksame Arbeit für den Befreiungskampf der arbeitenden Frau, der eins ist mit dem großen Befreiungskampf des internationalen Proletariats.”

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