Darsteller auf der Bühne, Fin de Partie

RUTH WALZ

Opernabend

Ein Endspiel zum Einstand

György Kurtágs erste Oper "Fin de partie" als Premiere in Ö1.

Am 19. Februar hat der Komponist György Kurtág seinen 93. Geburtstag gefeiert. Der "Meister der kleinen Form" kann auf ein sehr konzentriertes und fokussiertes musikalisches Schaffen verweisen - sind doch seine Werke wenige Takte bis höchstens 20 Minuten lang.

Umso aufgeregter war die Musikwelt, als vor gut zehn Jahren die Meldung veröffentlicht wurde, dass György Kurtág an einer Oper arbeiten werde. Zuerst für die Oper Zürich, dann für die Salzburger Festspiele geplant (eine Uraufführung mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien wurde über mehrere Jahre fix in der internen Orchesterplanung geführt), wurde es schließlich die Mailänder Scala, wo Intendant Alexander Pereira diese erste Oper Kurtágs herausbrachte: "Fin de partie" nach dem Libretto von Literaturnobelpreisträger Samuel Beckett, mit vier Protagonist/innen wie in der Textvorlage und für ein großes Orchester.

Morgenjournal | 16 11 2018 | Nachbericht zur Uraufführung an der Mailänder Scala

Gerhard Krammer

Im fein gewobenen Klanguniversum

Sieben Jahre Arbeit hat Kurtág für die 450-seitige Partitur von "Fin de partie" aufgewendet und dabei ein fein gewobenes und äußerst farbiges Klanguniversum geschaffen. Der Komponist liefert ein Meisterstück an Instrumentation ab: ständig neue Ideen, neben den üblichen Orchesterinstrumenten hört man etwa auch Ziehharmonika, Gitarre oder Zymbal. Dazu vier Vokalsolist/innen, die alle auf etwas warten - auf ein Ende, das für drei der vier Protagonist/innen faktisch schon eingetreten ist: für den steinalten Nagg und dessen Frau Nell - beide haben ihre Beine durch einen Tandemunfall verloren und stecken jeweils in einer Mülltonne - sowie für den auch schon alten Sohn Hamm, der im Rollstuhl sitzt und vom gehbehinderten Diener Clov betreut wird. Kommunikation findet über weite Strecken nicht statt, Emotionen, wie etwa Liebe, blitzen nur kurz in der Erinnerung auf, sind aber immer weit von verklärendem Zuckerguss entfernt.

Unvergessliche Momente

Kurtág gelingt es mit scheinbar einfachen melodischen Linien, teilweise sogar tonalen Akkorden und vielen Momenten der Stille, die das Publikum beinahe mehr fordern als die komponierte Musik, unvergessliche Momente zu schaffen. Die erste Oper Kurtágs dauert mehr als zwei Stunden und wird ohne Pause durchgespielt. Und sie ist - laut eigenen Worten - so etwas wie sein "musikalisches Testament" geworden.

György Kurtág war bei der Uraufführung am 15. November nicht persönlich anwesend, seine Gattin Marta, künstlerischer Widerpart und ständiger Lebensmensch, konnte aus gesundheitlichen Gründen die Reise von Budapest nach Mailand nicht antreten.

Man kann davon ausgehen, dass "Fin de partie", dieses "Endspiel", gerade erst am Anfang steht - und gleichzeitig den Schlussstein eines einzigartigen künstlerischen Lebenswerks darstellen könnte.