Nicolaus Schafhausen

KUNSTHALLE WIEN/SABINE HAUSWIRTH

Kommentar

Quo vadis Kunsthalle?

Als der scheidende Kunsthallen-Direktor Nicolaus Schafhausen vergangenen Mai medienwirksam verkündete, dass er die Kunsthalle vorzeitig verlassen werde und diesen seinen Abgang nicht zuletzt als politisches Statement verstanden wissen wollte, als Protest also gegen die rechtspopulistische Wende in Österreich, erntete er für diese große Geste vor allem Kopfschütteln. Schafhausens politische Motive wurden allgemein als Feigenblattargument abgetan, um nicht zu sagen belächelt.

Tatsächlich stand der gebürtige Düsseldorfer praktisch seit Beginn seines Antritts als neuer Kunsthallen-Direktor im Oktober 2012 im Kreuzfeuer der Kritik. Die Besucherzahlen der Kunsthalle brachen in seiner Ära ein, 2017 wurden 77.157 Besuche/rinnen gezählt. Schafhausens Kardinalfehler war aber wohl die Vernachlässigung der heimischen Szene, deren Einbindung eigentlich zu den wesentlichen Aufgaben einer Kunsthalle gehört. Das hat Wien dem international renommierten Ausstellungsmacher, der zweimal den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig kuratiert hat, nie verziehen.

Unter Schafhausen erhielt die Kunsthalle eine zeitgeistige Corporate Identity und ein Ausstellungsdisplay, das den Mainstream-der-Minderheiten-Glamour internationaler Metropolen versprühte. In Wien, das möglicherweise provinzieller ist, als man es hierzulande gerne hätte, fehlte dafür wohl das Publikum. Als bestens vernetzter Kurator setzte Schafhausen auf Positionen, die im internationalen Ausstellungskarussell oder auf Biennalen Furore gemacht haben, am Markt hoch gehandelt und häufig von einflussreichen Galerien vertreten werden. Darunter Simon Denny, Camille Henrot, Hito Steyerl, Olaf Nicolai oder zuletzt Annette Kelm. Mit der Schau des Klangkünstlers Florian Hecker bewies Schafhausen aber auch Mut zum Minderheitenprogramm. Damit hob er sich deutlich von seinem Vorgänger Gerald Matt aber, der mit Blockbuster-Ausstellungen immer wieder die breite Masse ins Haus locken konnte.

Kuratorinnenkollektiv WHW

Nicolaus Schafhausens Nachfolge tritt nun ein Kuratorinnenkollektiv an, das wohl nicht weniger vernetzt ist, wenn auch in einer gänzlich anderen Szene. Das kroatische Kollektiv WHW setzte mit seinen dezidiert politischen Ausstellungskonzepten in der Vergangenheit Akzente. Sein Ausstellungsdebüt gab das Kollektiv anlässlich des 152. Jahrestages des "Kommunistischen Manifests ". Seit damals ist die Auseinandersetzung mit dem postkommunistischen Erbe der Gesellschaften Zentral- und Südosteuropas ein bestimmendes Element in den Arbeiten von WHW.

Die Aktivitäten des Kollektivs sind im weitesten Sinne dem Diskurs einer globalen Linken zuzuordnen, die gerade wegen des kaum überhörbarem Krisengeschreis der vergangenen Jahre darum ringt, der rechtspopulistischen Wende in Europa etwas entgegenzusetzen. Insofern ist es bezeichnend, dass WHW im Gegensatz zum scheidenden Kunsthallen-Direktor Nicolaus Schafhausen die Konfrontation mit der heimischen Politik offenbar nicht scheut.

Das Tor zum Osten

Was darf man also von Ivet Curlin, Natasa Ilic und Sabina Sabolovic in den kommenden Jahren erwarten? Vermutlich wird das Team künstlerischen Positionen eine Bühne geben, deren Distanz zum Kunstmarkt als deutliches Statement gegen neoliberale Einverleibungsstrategien verstanden werden darf. Zudem steht zu erwarten, dass der Blick von den Rändern Europas auf den Westen ins Zentrum gerückt wird. Damit würde Wien seiner traditionellen Rolle als Brückenbauer in den Osten erneut gerecht werden und zwar auf gänzlich andere Weise als die politische Repräsentanten dieses Landes, die am internationalen Polit-Parkett immer öfter als Verbündete der nationalkonservativen Visegrád-Staaten wahrgenommen werden.

Ob es WHW wirklich gelingt, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen als ihr Vorgänger, bleibt freilich abzuwarten. Nachdem Ende Februar bekannt geworden ist, dass die documenta 15 vom indonesischen Kollektiv Ruangrupa kuratiert wird, ging ein Raunen durch die Kunstwelt. Gibt es wie bereits in den 1990er Jahren einen Trend zu kollektiven Arbeitsweisen, die sich von den Strategien des Marktes deutlich abgrenzen, wurde da etwa gefragt.

Dass die Verstrickungen des zeitgenössischen Kunstmarktes in globale Finanzströme die Akteure des Kunstbetriebs in eine ambivalente Komplizenschaft katapultieren, ist längst kein Geheimnis mehr. Kollektive Autorenschaft verweigert sich den herkömmlichen Gesetzen der Vermarktung, die die Signatur ins Zentrum rücken, und kann somit auch als widerständige Praxis verstanden werden. In diese Tradition würde möglicherweise auch WHW seine Ausstellungstätigkeit stellen. Doch, soviel Skepsis sei erlaubt, eine Kunsthalle ist keine Großausstellung. Demnach darf man die Bestellung von WHW als Experiment bezeichnen.

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