
SEAN SCULLY
Ausstellung
Sean Scully: Geometrie und Gestalt
Er gilt als großer Meister der abstrakten Malerei und wurde in den 1970er Jahren mit seinen geometrischen Streifen- und Rasterbildern berühmt. In der Albertina zeigt der irisch-stämmige Maler Sean Scully eine Werkserie, in der er neue Wege beschreitet.
8. Juli 2019, 02:00
Morgenjournal | 07 06 2019
Aus einem flächigen Farbhintergrund schält sich die Gestalt eines Kindes heraus. In immer neuen Variationen hat Sean Scully dieses Motiv gemalt. Es ist die intime Annäherung an seinen achtjährigen Sohn, der am Strand der Karibikinsel Eleuthera spielt. Im Werk des 75-jährigen US-Amerikaners mit irischen Wurzeln stellt die Werkserie, die aktuell in der Albertina zu sehen ist, einen Stilbruch dar.
Wenn man ein abstraktes Bild malt, ist es so, als würde man ein Instrument spielen.
Denn eigentlich gilt Sean Scully seit den 1970er Jahren als großer Erneuerer der abstrakten Malerei. Nun wendet er sich im vorgerückten Alter der Gegenständlichkeit zu. "Ich kann beides", so der Künstler. "Wenn man ein abstraktes Bild malt, ist es so, als würde man ein Instrument spielen. Wenn man ein gegenständliches Bild malt, schreibt man gewissermaßen ein Gedicht. Figurative Malerei ist beschreibend. Wenn man abstrakt malt, ist man freier. In meinen Fall bewegt man sich in einem Raster, aber dieses lässt viel Raum für Improvisation."
Bekannt geworden ist Sean Scully mit seinen Streifen- und Rasterbildern - vertikale und horizontale Farbbahnen formen auf seinen Gemälden ein Raster, quadratische Farbfelder strukturieren sie. Zunächst malt Scully mit Hilfe von Klebeband exakte Linien, später wird sein Pinselstrich expressiver, gerät mitunter schief und unregelmäßig. Es ist der Versuch, der Minimal-Art, die als Antithese zur gestischen Malerei entwickelt wurde, neues Leben einzuhauchen.
Raster, Streifen, Farbfelder
"Ich wollte aus der Kunst des Minimalismus ausbrechen. Ich wollte die Abstraktion öffnen und sie den Menschen zurückgeben. Der Minimalismus ist ab einem gewissen Punkt unzugänglich geworden. Ich mag Mark Rothko. Aber Rothko steh für die Vergangenheit", sagt Sean Scully.
Wenn man ein gegenständliches Bild malt, schreibt man gewissermaßen ein Gedicht.
Fotografien seines Sohnes am Strand waren Ausgangspunkt für die Werkserie "Eleuthera". Die Darstellung des Kindes habe sein geometrisches Gestaltungsprinzip zwingend gesprengt, sagt der Künstler. Die neuartigen Bilder, die so entstanden sind, sind Scully besonders ans Herz gewachsen. "Ich würde diese Bilder niemals verkaufen. Sie sind mir heilig. Ich möchte nicht, dass eines dieser Bilder irgendwann bei einer Auktion landet", beteuert Sean Scully mit Nachdruck.
Am Kunstmarkt möchte Sean Scully die Porträts seines Sohnes nicht sehen. Der Albertina hat der Künstler anlässlich der gestrigen Ausstellungseröffnung aber ein Gemälde geschenkt.