Babylon-Sujet

DANIELA MATEJSCHEK

Theater

Der Turm zu Babel in Melk

"Babylon" heißt das Stück des deutschen Autorenduos Feridun Zaimoglu und Günter Senkel, das heute Abend bei den Sommerspielen in Melk seine Premiere feiert. Doch obwohl es in dem Menschen- und Götterreigen 5.000 Jahre in der Geschichte zurückgeht, klingen die Themen, die verhandelt werden - Stichwort politischer Größenwahn und Multikultigesellschaft - sehr gegenwärtig.

Morgenjournal | 19 06 2019

Wolfgang Popp

Intermezzo] | 16 06 2019 - Feridun Zaimoglu und Günter Senkel im Gespräch

Wolfgang Popp

König Enmerkar steht nach einem erfolgreichen Feldzug auf dem Höhepunkt seiner Macht. Und weil es auf Erden nichts mehr zu erobern gibt, fällt sein Blick nach oben in Richtung Himmel und Götter. Dort will er seinen Platz finden, dort will er "Gottheit unter den Göttern" sein.

Unsere babylonische Gegenwart

Die Geschichte vom Turmbau zu Babel reicht zwar weit zurück in die Geschichte von Sumer und Zweistromland, die zentrale Frage, die das Stück stellt, wie nämlich eine Gesellschaft mit jemandem umgeht, der sich ständig selbst erhöht? Regisseur Alexander Hauer über die heutige Brisanz des alten Mythenstoffes: "Uns hat die politische Gegenwart eingeholt, weil in den Sätzen permanent die heutigen politischen Strategien und Systeme aufleuchten und aufblitzen."

Entlarvende Mythen

Machtgeile Herrscher und kritische Gefolgsleute, dazu Eifersucht und Ellbogentaktik, oft braucht es gar nicht viel Übersetzungsarbeit, um das altsumerische Intrigenspiel auf die Gegenwart zu übertragen. "Vielleicht fällt es", so Alexander Hauer, "anhand einer fremden Mythologie sogar leichter, die politischen Prinzipien zu erkennen, wenn man also Trump nicht direkt auf der Bühne sieht, aber doch an ihn denkt, so wie man auch an einige heimische Politiker denken sollte und auch an uns selbst und unsere eigene Haltung."

Götterstammtisch

Was das alte Babylon dann doch von der Gegenwart unterscheidet: dort fühlen sich nicht nur Volk und Feldherren, sondern auch die Götter von so viel menschlichem Machtrausch provoziert. Sie steigen vom Himmel herab, veranstalten ein opulentes Festmahl, bei dem sie sich auch gleich gegenseitig in die Haare geraten und beraten, was wohl mit dem größenwahnsinnigen Herrscher zu tun sei.

Sprache der Mächtigen - mächtige Sprache

Feridun Zaimoglu und sein Koautor Günter Senkel haben ihr Stück nach eingehendem Studium der alten Quellen geschrieben und mit Mut zur Opulenz, ein Punkt, wo sich Zaimoglus Lust an historischer Sprachfülle oft mit den Forderungen des Zeitgeists kreuzt: "Heutzutage darf man das ja nicht mehr sein, sprachmächtig und sprachprächtig, denn dann macht man sich verdächtig. Ich bin aber nicht bereit, auf diesen Reichtum der deutschen Sprache zu verzichten."

Chance nicht Strafe

Nicht biblisch sind es Zaimoglu und Senkel in ihrem Stück "Babylon" angegangen, sondern altsumerisch. Der Götter gibt es also viele und sie heißen Marduk, Enki und Ischtar. Und auch die alttestamentarische Rache findet in Melk eine Neudeutung. Alexander Hauer: "Wir interpretieren die Sprachverwirrung nicht als Strafe, sondern als die Wiederentdeckung der Vielfalt, dass die Menschen gezwungen waren, wieder zusammenzufinden und gemeinsam ihre Probleme zu lösen und ihre Dinge zu entwickeln."

Service

Heute, 19.6., um 20.15 Uhr feiert "Babylon" seine Premiere bei den Sommerspielen in Melk. Und zu sehen ist das Stück in der Wachauarena bis einschließlich 3. August.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp