ORF/ISABELLE ORSINI-ROSENBERG
Ngai - Himmelsgott der Massai
In den Mythen der ostafrikanischen Volksgruppe der Massai wird folgende Geschichte erzählt.
23. Juli 2019, 10:39
"Einst als Erde und Himmel noch nicht getrennt waren, lebte Ngai auch auf Erden. Ihm gehörten alle Rinder. Eines Tages aber brachen Himmel und Erde auseinander, Ngai eilte zum Himmel, aber dort gab es nichts für seine Rinder zu fressen. Also ließ er sie an einem Seil aus den Wurzeln eines wilden Feigenbaumes wieder hinab zur Erde. Ngai trug den Massai auf, sich um die Rinder zu kümmern - die nun alle ihnen gehören sollten. Auch andere Gaben schickte er zur Erde, bis das Seil durschnitten wurde."
Dadurch wurde die direkte Verbindung von Gott und den Menschen beendet. "In der Folge zieht sich die Gottheit zurück und wird zu einem müßigen Gott, der sich nicht allzu viel um die Angelegenheiten der Menschen kümmert", wie Religionswissenschaftler Gerald Hödl von der Universität Wien erzählt.
Das heißt aber nicht, dass Ngai einfach verschwunden wäre - die Himmelsgottheit herrscht der Überlieferung nach weiter über viele Teile der Natur. Außerdem hat Ngai männliche wie auch weibliche Aspekte, wie auch zwei Erscheinungsformen, eine gute und eine böse. Wenn der Himmel voller Wolken ist, dann ist Ngai - wie es heißt - gerade im Himmel, entweder zornig oder gütig, und so sehen dann auch die Wolken aus - rot, voller Blitze oder schwarz und voller lebensnotwendigem Regen.
Für die Massai bieten die Rinder heute noch eine bedeutende Verbindung zu Ngai. Ihre Milch zu trinken und sich von ihrem Fleisch zu nähren, ist auch ein spiritueller Akt. Sie glauben, dass ihr Himmelsgott auf dem fast 3.000 Meter hohen Vulkan Ol Doinyo Lengai im Nordosten Tansanias lebt - der Name bedeutet übersetzt der Berg Gottes. Man betet in die Richtung von Ngais Thron.