Ausstellungsansicht Wolfgang Paalen (1905-59). Der österreichische Surrealist in Paris und Mexiko

BELVEDERE WIEN

Wiener Weltkünstler, weitgehend unbekannt

Wolfgang-Paalen-Schau im Belvedere

Er war der einzige nennenswerte österreichische Surrealist im Paris der 1930er Jahre, und auch in der Avantgarde-Kunst im New York der 1940er und -50er Jahre mischte er mit. Er entwickelte eine eigene künstlerische Technik und war zudem Experte für die Kunst indigener Völker: Wolfgang Paalen.

Morgenjournal | 04 10 2019

Anna Soucek

Trotz dieser Errungenschaften und seiner Rolle in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist der gebürtige Wiener, der 1959 aus dem Leben schied, hierzulande kaum bekannt. Das Belvedere widmet ihm nun eine große Ausstellung - eine einzigartige Gelegenheit, in den surrealen Kosmos dieses Künstlers einzutauchen.

Wolfgang Paalen in seinem Atelier in San Angel, Mexiko

WALTER REUTER/PRIVATARCHIV ANDREAS NEUFERT

Wolfgang Paalen in seinem Atelier in San Angel, Mexiko 1947

Visionär, Universalist und Weltensammler

Allein Wolfgang Paalens Lebensgeschichte ist filmreif: 1905 in Wien als Sohn eines zu Vermögen gekommenen Vaters geboren, ging er 1930 nach Paris, wurde als Künstler in den Kreis der Surrealisten aufgenommen und entwickelte die neue Kunsttechnik der Fumage, bei der Papier mit Kerzenrauch angeschwärzt wird. Frida Kahlo holte ihn 1939 nach Mexiko, er schrieb Gedichte und Theaterstücke und gab die einflussreiche Kunstzeitschrift DYN heraus. Dass ihn außerhalb der Fachwelt kaum wer kennt, liegt wohl daran, dass kaum Werke von ihm in öffentlichen Sammlungen vertreten sind - an die Oberfläche der Kunstgeschichte gelangt Paalen daher nur selten.

Das Belvedere, das selbst nur zwei Gemälde von Wolfgang Paalen besitzt, hat eine höchst sehenswerte Ausstellung zusammengestellt, die auch durch Objekte lebt, mit denen Paalen sich selbst gerne umgab: Kunst der Naturvölker in British Columbia und präkolumbianische Objekte aus Mexiko. "Paalen lebte mit diesen Objekten", erzählt der Kurator Franz Smola, "sein Atelier war wie ein Museum. Leider ist seine Sammlung in alle Winde zerstreut, nicht nur private Sammler auch die Weltmuseen reißen sich darum, sobald etwas aus Paalens Besitz auf dem Markt auftaucht." Denn Paalen hatte ein geübtes Auge, und er sammelte nicht nur aus historischem, sondern auch aus künstlerischem Interesse, auf der Suche nach intellektuellem Input für sein bildnerisches und philosophisches Schaffen.

Anthropomorphe Natur

Aus Paalens eigenem Oeuvre sind Objekte aus der surrealistischen Zeit in Paris ausgestellt, etwa ein in Naturschwamm verkleideter Regenschirm, oder ein Bild aus schwarzen Federn und Augenprothesen aus Glas. Rekonstruiert ist auch seine Inszenierung der wegweisenden Surrealistischen Ausstellung in Paris 1938, die André Breton organisiert hatte. Salvador Dalí und Max Ernst wirkten mit, auch Man Ray als Beleuchter und Marcel Duchamp als "Streitschlichter". Und Wolfgang Paalen war für das Buschwerk zuständig, schildert der Kurator Andreas Neufert: "Er hat einen ganzen Lastwagen feuchtes Laub und Erde aus dem Friedhof Montparnasse anliefern lassen und hat das in der Ausstellung ausgebreitet." Außerdem inszenierte er ein sonderbares, mit der Natur verschmolzenes Feen-Wesen: eine Schaufensterpuppe bekleidet er mit Moos und Champignons, ihr Kopf mit einem schaudrigen Flughund behutet.

Die Geister, die er rief

Als Phantomjäger, stets auf der Suche nach anonymen Wesen, bezeichnet der Kunsthistoriker und Paalen-Biograf Andreas Neufert den Künstler. Ein prägendes Erlebnis war für Paalen eine Halluzination vor einem von Nonnenraupen abgefressenen Wald in seiner Kindheit - zeit seines Lebens spürte er in seiner Kunst dem nächtlichen Feenzauber nach. Gesehen werden können diese immateriellen Wesen, die uns - vor allem im Glauben der Naturvölker ständig - begleiten, wohl auch in seinen Kerzenrauch-Bildern, Fumages genannt.

An den vergessenen Rändern der Welt und in den Nischen der Kunstgeschichte entdeckte Paalen interessante Dinge. Diese Entdeckungslust gibt die Ausstellung im Belvedere weiter, mithilfe von Objekten wie dem vom Vater patentierten Staubsauger und seiner Thermoskanne, mit einem Video-Interview seiner 99-jährigen Ex-Frau, mit Fotos von bizarr verformten Wurzeln und indianischen Totempfählen, all das untermauert vom messerscharfen Witz der surrealistischen Kunst von Wolfgang Paalen.

Service

Die Ausstellung "Wolfgang Paalen - Der Österreichische Surrealist in Paris und Mexiko" im Unteren Belvedere in Wien ist bis 19. Jänner 2020 zu sehen.

Gestaltung

  • Anna Soucek