Titus Schade

Enrico Meyer

Kunst

Titus Schade: „Ich spüre dem Pinsel nach!“

Er war Meisterschüler des deutschen Malerfürsten Neo Rauch und hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt. Der Leipziger Maler Titus Schade verdichtet Motiven der deutschen Historie auf gespenstisch menschenleeren Tableaus. Die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" zählt den 35-Jährigen zu den wichtigsten Ostdeutschen unter 40.

Ö1 Kulturjournal | 11 11 2019

"Die Orte, die ich male, gibt es ja so nicht, sondern sie sind von mir gebaut,“ sagt der Maler, „Sie erinnern an Orte, die es geben könnte."

Er malt Plattenbauten, Mehrfamilien-, und Fachwerkhäuser, die aus einer dörflichen Idylle, oder direkt aus Grimms Märchenbüchern stammen könnten. Es sind Sujets, die dazu angetan wären, Erinnerungen an eine heile Welt wachzurufen, wäre da nicht die düstere Grundierung, die Titus Schades Bilder dominiert. Schade malt Kulissen, gruselig leergefegt wie bei Giorgio de Chirico, architektonische Häuserschluchten unbewohnt und unbelebt.

Alptraumhaft wirken diese Szenarien, die jenen Moment markieren, in dem das Heimelige ins Unheimliche kippt. „Die Orte, die ich male, gibt es ja so nicht, sondern sie sind von mir gebaut,“ sagt der Maler, „Sie erinnern an Orte, die es geben könnte. Natürlich bediene ich mich auch in der deutschen Historie, wobei diese Fachwerkarchitektur in ganz Europa verbreitet gewesen ist. Diese Architektur ist für mich hauptsächlich deshalb interessant, weil mich die Strukturen der Gebäude faszinieren.“

  • Titus Schade Falkenstein, 2019, Öl und Acryl auf Leinwand, 50 x 70 cm, courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

    Foto: Uwe Walter, Berlin

  • Titus Schade Das große Gehöft, 2019, Öl und Acryl auf Leinwand, 150 x 200 cm, courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

    Foto: Uwe Walter, Berlin

  • Titus Schade Die Ladenstraße, 2019, Öl und Acryl auf Leinwand, 50 x 70 cm, courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

    Foto: Uwe Walter, Berlin

  • Titus Schade Die große Ladenstraße, 2019, Öl und Acryl auf Leinwand, 150 x 200 cm, courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

    Foto: Uwe Walter, Berlin

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Gehypt und gehasst: Neue Leipziger Schule

Titus Schade hat an der berühmten Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert und war Meisterschüler bei Neo Rauch, einst Shooting-Star der Neuen Leipziger Schule, heute einer der bedeutendsten Maler seiner Generation. Altmeisterlich wurden Neo Rauchs Bilder genannt, rätselhaft, surrealistisch. Rauch hat eine gegenständliche Bilderwelt geschaffen, die so wirkt als wäre sie aus der Zeit gefallen. Während Kritiker bemängelten, dass Rauch am Kitsch einer anachronistisch gewordenen Historienmalerei anstreift, jubelten vor allem US-amerikanische Sammler und Sammlerinnen über die Wiederentdeckung der Figuration.

Als die Malerei der Neuen Leipziger Schule in den Nullerjahren am internationalen Kunstmarkt als große Entdeckung gefeiert wurde und Sammler und Sammlerinnen aus aller Welt, die Ateliers der Stadt stürmten, übte sich der damalige Kunststudent Titus Schade in Aktstudien und paukte Anatomie. „In den ersten beiden Jahren meines Studiums ruhte der Kunstmarktblick auf Leipzig, der Markt war überhitzt und alle wollten gegenständliche Malerei machen.

Foto: Uwe Walter, Berlin

Titus Schade


Der große Hof, 2019
Öl und Acryl auf Leinwand
200 x 150 cm
courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin
VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Für uns Studenten war es extrem zu sehen, dass Leute, die gerade ihr Diplom machten, bereits eine Einzelausstellung in New York haben, währenddessen wir Stillleben abzeichnen,“ erinnert sich Schade, „Damals dachte ich schon, dass dieser Hype vorbei sein wird, wenn ich Diplom mache, aber ich war mir sicher, dass ich meinen Weg machen werde, weil wir an der Hochschule für Grafik und Buchkunst eine solide Ausbildung erhalten.“

Die Malerei im Zeitalter der Computergrafik

Titus Schades Bilder, so meinen Kritiker, erinnern an jene seines Lehrmeisters Neo Rauch. Nur fehlen in den Malereien Schades die Menschen. Während Rauchs Bilder davon leben, dass Figuren miteinander in Beziehung treten, entwirft Schade entvölkerte Szenarien. „Ich sehe auch ähnliche Orte, an denen wir uns abarbeiten, aber in der malerischen Herangehensweise unterscheiden wir uns sehr stark“, so Titus Schade, „Ich baue meine Bilder aus Flächen auf. Die Computergrafiken und Animationen sind Bezugspunkte für mich. Aber auch bei mir entsteht alles direkt auf der Leinwand. Ich spüre dem Pinsel meist ohne Vorzeichnung nach.“

Scharfe Kanten, hyperrealistische Schärfe: Titus Schade ist ein Kind der Postinternet-Generation, der die Malerei aus dem Geiste der Computergrafik, des Architektur-Renderings neu erfindet. Eine imaginäre Welt, die frösteln lässt und fasziniert.

Service

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