ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Bundessprecher der Grünen, Werner Kogler

APA/HELMUT FOHRINGER

Schwarz-grüne Verhandlungen

Die Greenhorns und die Kontrollore

ÖVP und Grüne sondieren und verhandeln seit Wochen über eine Regierungszusammenarbeit, aber inhaltlich ist praktisch nichts aus den Verhandlungen nach außen gedrungen. Diese Koalitionsdisziplin der Grünen, bevor es überhaupt eine Koalition gibt, lässt die einen staunen, die anderen machen sich Sorgen um diese Partei, die doch Basisdemokratie und Transparenz in ihrer DNA hat.

"Das war eigentlich die Reifeprüfung, die die Grünen bestanden haben. Sie haben sich von selber in diese Disziplin eingeordnet, und da hat man gewusst: Die wollen wirklich." Der frühere ÖVP-Politiker Andreas Khol kann seine Begeisterung über den präsumtiven Koalitionspartner von Sebastian Kurz kaum verbergen. Khol war dabei, als die ersten schwarz-grünen Verhandlungen 2003 gescheitert sind, und er ist ein Freund der Message Control, wie sie die Regierung Kurz I perfektioniert hat.

Die Reifeprüfung haben sie bestanden

Khol ist einer der Architekten von Schwarz-Blau unter dem damaligen ÖVP-Chef und Kanzler Wolfgang Schüssel, und er sagt heute: Kontrollierte Kommunikation sei das Einzige gewesen, was damals gefehlt habe. Das sei das Um und Auf einer funktionierenden Regierung, keine Differenzen, kein Streit. Nicht zuletzt deshalb sei die aktuelle Übergangsregierung so beliebt, die ohne jedes Aufheben vor sich hin regiert. Khol: "Wenn man eine Zusammenarbeit mit den Grünen erfolgreich gestalten will, dann ist natürlich die abgesprochene Kommunikation die Voraussetzung."

"Diszipliniert über Unterschiede reden"

Die Frage ist, wie weit die Absprachen gehen. Gemeinsame sogenannte Wordings, wie sie unter Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache gang und gäbe waren, sind den meisten Grünen ein Graus. Strache hat sich, wie aus ÖVP-Kreisen zu hören ist, sogar manche seiner Statements von den Kurz-Leuten schreiben lassen. Das geht auch für die pragmatischen grünen Koalitionsverhandler um Parteichef Werner Kogler nicht. Michel Reimon, der gemeinsam mit dem oberösterreichischen Landesrat Rudolf Anschober das heikle Migrations-Kapitel verhandelt, sagt: "Diszipliniert über Unterschiede reden, das wird notwendig sein."

Schützen gemeinsame Regeln die Grünen?

Für Reimon ist klar, dass die unterschiedlichen Zugänge der Grünen in vielen Bereichen auch im Regierungsalltag abgebildet werden müssen. Message Control im Sinne von Schwarz-Blau sei keine Option, wobei aber klar sei: "Es müssen am Ende gemeinsame Regeln für die Kommunikation und die Abstimmungen im Parlament vereinbart werden." Das sei schon deshalb notwendig, um das Verhandlungsergebnis – und die Grünen hoffen natürlich auf ein gutes – zu schützen, sagt Reimon. Aus dem selben Grund sei man jetzt auch so diszipliniert, um auf Augenhöhe mit der ÖVP möglichst viel Inhaltliches herausholen zu können.

Das wirklich Schwierige am Kompromiss

Eine Position, die auch Christioph Chorherr stützt. Chorherr hat jahrelange Regierungserfahrung im rot-grünen Wien, er ist im Vorjahr aus der Politik ausgeschieden und hat nach Korruptionsvorwürfen in Zusammenhang mit Flächenwidmungen, die er bestreitet, seine Mitgliedschaft bei den Grünen zurückgelegt. Politische und gerichtliche Untersuchungen laufen. Chorherr sagt, das Schwierige in Koalitionsverhandlungen sei nie die Einigung in der Sache. "Das Schwierige ist, den eigenen Leuten den Kompromiss zu verklickern. Denn der Kompromiss ist immer auch Verrat an der Sache."

Dejan Lukovic

MARTINA WOLCHOWE

Dejan Lukovic

An der Basis blieben die Bedenken

Um den Kompromiss zu finden, brauche es aber Rückzugsraum und ausreichend Zeit, sagt Chorherr. Transparenz, die sonst bei den Grünen so großgeschrieben wird, sei hier fehl am Platz. Viele an der Basis sehen das anders, aber die Partei schart sich derzeit hinter Werner Kogler und verhält sich ruhig. Man vertraut darauf, dass Kogler ein herzeigbares Ergebnis nach Hause bringt. Das tut auch Dejan Lukovic, ein junger Gemeinderat der Grünen in Innsbruck. Lukovic hätte gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Kurz-ÖVP gestimmt, weil er keine Gesprächsbasis sieht, bevor nicht mehrere 180-Grad-Wenden durch Kurz vollzogen werden. Sollten die Verhandlungen aber erfolgreich abgeschlossen werden, dann sei Transparenz das Mindeste, sagt Lukovic.

"Widerstreit suchen, Diskurs antreiben"

"Man muss aufpassen, dass es nicht zu einer Message Control wie bei Schwarz-Blau kommt. Dass man sich nicht gemeinsamen Wordings unterwirft, wie es die FPÖ getan hat. Man muss die eigenen Positionen deutlich machen und den Widerstreit suchen und austragen, um den politischen Diskurs anzutreiben." Für das Team Kurz ist das eine gefährliche Drohung. Widerstreit und Diskurs, die für den Grünen Lokalpolitiker zur Politik gehören, sind für die neue Volkspartei nur störendes Beiwerk.

Journalisten erwarten offeneren Stil

Kehrt die berüchtigte Message Control also zurück? Die Frage ist auch Ende November am Rande des Europäischen Mediengipfels in Lech diskutiert worden. "Sollte Schwarz-Grün kommen, dann müsste schon viel offener kommuniziert werden, da lässt sich die Message Control nicht mehr durchhalten", sagt die profil-Journalistin Eva Linsinger. Und auch Petra Stuiber vom Standard meint, gerade in diesem Punkt werde sich eine Regierung mit grüner Beteiligung deutlich von Schwarz-Blau unterscheiden müssen. Hans-Peter Siebenhaar vom deutschen Handelsblatt befindet: "Die Message Control ist Geschichte."

"Die Grünen sind es nicht gewohnt zu herrschen"

Nicht ganz so überzeugt davon ist der Anwalt Alfred Noll, der bis vor kurzem auch Abgeordneter beim aufgelösten Grün-Konkurrenten JETZT war und die Grünen gut kennt. Noll wünscht Kogler & Co. viel Glück. Es werde aber gerade für die Grünen schwer werden, sich den kommunikativen Vorgaben der Kurz-Leute zu entziehen. "Die sind es nicht gewohnt zu herrschen", sagt Noll über die 14-Prozent-Partei. Und dieses Manko sei auch durch Vereinbarungen, die den kleineren Koalitionspartner schützen sollen, nur schwer auszugleichen.

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