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Literatur
John Burnside: "Über Liebe und Magie"
Wenn es um die radikale Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben geht, können wenige dem schottischen Schriftsteller John Burnside das Wasser reichen. Im dritten Band seiner Autobiografie versucht er den Zauber zu ergründen, der hinter seiner Liebe zu bestimmten Menschen, Orten und Dingen liegt. Dabei spielen auch ein Mord und ein Sanatoriumsaufenthalt eine wichtige Rolle.
16. Jänner 2020, 02:00
Mittagsjournal | 17 12 2019
Wolfgang Popp
Den englischen Originaltitel "I put a spell on you" trägt die deutsche Übersetzung nur im Untertitel, dabei war Nina Simones Hit aus dem Jahr 1965 so etwas wie die Begleitmusik zu John Burnsides früher Jugend: "Den Song umgab eine Schönheit, die mich dahinschmelzen ließ. Nicht, was den Text anbelangt, den ich bis heute ziemlich verstörend finde, mit dieser Drohung, dass man jemanden durch einen Zauber zu seinem Eigentum macht, das man kontrollieren kann."
Der Mord und das Mädchen
"I put a spell on you" stand auch in Zusammenhang mit einem dramatischen Ereignis, das im unmittelbaren Umfeld Burnsides stattfand. Den Song sang ihm nämlich ein Mädchen ins Ohr, das kurz darauf Opfer eines Eifersuchtsmordes werden sollte.
John Burnside erinnert sich: "In unserer kleinen Welt passierten gewöhnlich keine derart exotischen Dinge. Es gab zwar einen ganzen Haufen hässlicher Vorkommnisse, aber da ging es immer um brutale Gewalttaten zwischen Männern oder Diebstähle. Hier gab es neben dem Mord aber auch noch diese romantische Dimension, als ob der Tod der Ermordeten eine ganz eigene Schönheit verliehen hätte."
Verpasste Chancen
John Burnsides Autobiografie ist eine schonungslose Selbsterkundung. Blinde Flecken gönnt sich der Schotte nicht. Über das Hassverhältnis zu seinem prügelnden Alkoholikervater hatte Burnside in Band eins geschrieben und wie er selber in ähnliche Fahrwasser geriet, erzählte er im Folgeband "Wie alle anderen". Und auch in "Über Liebe und Magie" denkt er über die ergriffenen und die verpassten Chancen seines Lebens nach.
Die Wichtigkeit der Abschweifung
John Burnside bedient sich verschiedenster Songs, um in seine Erinnerungen abzutauchen. Von "Strange Days" der Doors bis zu "Running Away" von Bob Marley and the Wailers. Dazwischen setzt er Kapitel, die er lapidar "Abschweifungen" nennt, auch wenn es darin um neuralgische Ereignisse geht, wie etwa den Beginn seiner Studienzeit in Cambridge.
John Burnside: "Ich nahm damals verschiedene aufputschende Drogen wie Speed oder Kokain und die verstärkten meine ohnehin schon vorhandene Paranoia. Meine psychotischen Zustände wurden so schlimm, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat, woraufhin mich meine Freunde klugerweise in eine Klinik brachten."
Verirren macht glücklich
John Burnside versinkt in seinem Memoirenband nicht in Tragik, häufig ist sie aber Ausgangspunkt für seine neugierigen und humorvollen Erkundungen. Ein Kapitel im Buch trägt den schönen Titel "Warum Sich Verirren ein Augenblick des Glücks ist", und der ist so etwas wie Programm von "Über Liebe und Magie", denn glücklich verirren kann man sich dort auf jeder einzelnen der knapp 300 Seiten.
Service
John Burnside, "Über Liebe und Magie", Penguin Verlag
Originaltitel "I put a spell on you"
Gestaltung
- Wolfgang Popp