Ein Aufenthaltsraum in einem Büro im Silicon Valley

AP/ELISE AMENDOLA

Dimensionen

Arbeiten im Büro der Zukunft

Rückzugsecken und Kaffee-Inseln, Flipchart und teure Espressomaschinen, kräftige Primärfarben und Retro-Chic ersetzen das Bürograu. Der Google- oder der Apple-Campus im Silicon Valley zeigen vor, wie die Bürolandschaften der Zukunft aussehen sollen - und immer mehr Arbeitgeber machen das nach. Das Argument: so werde Kreativität und Kollegialität befördert.

Das „neue Arbeiten“ oder „New Work“ ist ein gern verwendetes Stichwort von Zukunftsinstituten und in der Management-Theorie. Es stammt ursprünglich vom Philosophen Frithjof Bergmann, der in den Siebzigern als zentrale Werte der „Neuen Arbeit“ Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft definierte.

Chefs oder Managerinnen sind in diesem neuen Arbeitsbegriff nicht die, die Aufgaben und Arbeitsweisen vorgeben, sondern die ihren Teams den Raum und die Zeit geben, an kreativen Lösungen zu arbeiten. Und ebendiese Freiräume biete eine Arbeit nicht, die genau acht Stunden lang verrichtet wird - von 9 bis 17 Uhr an einem eigenen Schreibtisch in einem kleinen Zimmer.

Deswegen braucht es neue Formen des Büros, die kreative Wissensarbeit ermöglichen.

"Mit dem Großraum von heute soll nicht nur Platz gespart, sondern ein neues Zeitalter eingeläutet werden, indem Arbeit Spaß macht, alle zusammen an einem Ziel arbeiten, Wissen geteilt und Hierarchie abgebaut wird."

Das Konzept das die Chefredakteurin des Wirtschaftsmagazins Brand Eins, Gabriele Fischer im Editorial zur Schwerpunktausgabe Neue Arbeit beschreibt nennt sich „Multispace-Büro“. Es folgt der Idee, dass man für verschiedene Tätigkeiten verschiedene Orte oder Zonen im jeweiligen Büro aufsucht.

Seit 1996 gibt es das Forschungsprojekt Office 21 des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit unterschiedlichen Fragen der Bürogestaltung. In der aktuellen Forschungsphase werden Wissensarbeit und so genannte „smarte Büroumgebungen“ untersucht. In einer der letzten Untersuchungen im Rahmen von Office 21 kam heraus, dass Möblierung und Akustik den größten Einfluss auf die Zufriedenheit der Angestellten haben. Der größte Störfaktor sind Lärm und vorbeigehende Menschen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Meta-Studie der Universität Erlangen, die aktuelle empirische Untersuchungen zu Arbeitsumgebungen zusammenfasst, die Kreativität fördern sollen. Einen positiven Einfluss auf Kreativität, das zeigt sich über 17 Studien hinweg, haben demnach Pflanzen im Büro und ein Ausblick ins Grüne. Eine offene Bürostruktur, die gleichzeitig Rückzugsmöglichkeiten bietet kommt den Bedürfnissen der Angestellten am besten entgegen. Außerdem sollte es Räume für Pausen und zur Entspannung geben. Auch hier werden Lärm, zu hohe Temperatur und zu wenig Platz als besonders negative, also Kreativität verhindernde Faktoren ausgemacht.

Die Mischung macht es also aus: sowohl Orte im Büro zu haben, die zur Zusammenarbeit einladen, als auch Orte, wo man seine Ruhe hat. Eine sehr gute Büroform also, wenn sie gut gemacht ist. Aber in Zeiten steigender Immobilienpreise sparen sich Firmen Geld, wenn sie auf offene Strukturen und Wechselarbeitsplätze setzen, weil sie so weniger Bürofläche brauchen. Der Spargedanke führt dazu, dass das Multispace-Konzept nur halbherzig umgesetzt wird.

"Bei Bürosettings, wo es um Clean-Desk-Politik geht, zeigt sich, dass sich binnen kürzester Zeit auch dort soziale Strukturen abbilden."

Ein Wechselarbeitsplatz, gerne mit dem englischen Begriff der „Clean Desk Policy“ bezeichnet, bedeutet das, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf ihrem Laptop arbeiten bzw. über das Netz oder geteilte Laufwerke ohnehin zu all ihre Arbeitsunterlagen Zugriff haben, keinen eigenen Schreibtisch mehr brauchen. Daher sucht sich ein Mitarbeiter, wenn er in der Früh ins Büro kommt, einfach einen noch freien Schreibtischplatz. Wenn er nach Hause geht, räumt er alles weg und hinterlässt einen leeren Schreibtisch, also einen Clean Desk.

Das klingt schön in der Theorie, die Realität sieht in solchen Büros allerdings oft anders aus. Denn auch in offenen Großraumbüros mit Wechselarbeitsplätzen bilden sich innerhalb kürzester Zeit soziale Strukturen ab, sagt Annika Schönauer von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA in Wien. Das heißt, bestimmte Gruppen oder auch Einzelpersonen beanspruchen in diesen offenen Strukturen erst recht spezielle Tische und die Folge sind Konflikte. Meistens geht es um helle und ruhige Arbeitsplätze.

Nicht der einzige potenzielle Stressfaktor im Großraumbüro. Noch schlimmer sei, das haben Forschungen des Fraunhofer Instituts als auch die von FORBA ergeben, die Lärmbelästigung. Durch fehlende Räume fürs Telefonieren oder das Gespräch zwischendurch, kann das Arbeiten im Großraumbüro zur Belastung werden. Oder ist überhaupt nur mehr mit Kopfhörern möglich. Viele Angestellte sehen das Großraumbüro dann nicht mehr als Ort, wo sie arbeiten können und flüchten ins home office.

Die tatsächliche Inanspruchnahme von Home Office hat sich in den letzten Jahren verdoppelt.

Örtlich flexibles Arbeiten wird gerade von jüngeren ArbeitnemerInnen auch als positiv empfunden und vielfach gefordert. Die Argumente sind Zeitersparnis und seit neuestem auch ökologischer Natur: Wer nicht ins Büro fahren muss, ob klassisch oder Großraum, spart CO 2 ein. Andererseits verschwimmen bei home office zunehmend die Grenzen zwischen Privat und Beruflich, etwa, wenn man ständig erreichbar sein muss.

Neben dem Arbeiten von zu Hause aus oder im Café gibt es den umgekehrten Trend: Weil es im Büro offenbar so „schön“ ist, wollen viele gar nicht mehr nach Hause gehen. So bietet man zum Beispiel im Wiener Microsoft-Büro den Angestellten einige Annehmlichkeiten. Neben Garten und Café gibt es einen großzügigen Fitnessbereich im Büro, mit Boxsack, Rudermaschine und gratis Yoga-Kursen, auch Massage und Osteopathie.

Allerdings: die Freizeit in der Arbeit gehe auf Kosten von Freunden und Familie, so ein Blogbeitrag des, von Matthias Horx gegründeten, Zukunftsinstituts. Der oder die Angestellte lebe dann nur noch in der Arbeit. Bei Jobverlust fielen dann auch alle sozialen Kontakte weg.

"Also wir werden nicht zurückkehren ins Einzelbüro, aber wir werden viel mehr Möglichkeiten für Rückzug haben."

Das Fraunhofer Institut hat ein Thesenpapier zu „Arbeitswelten 4.0“ aufgestellt, dass die Entwicklung der Arbeitswelt bis zum Jahr 2030 skizziert. Darin wird dem Büro eine neue, soziale Funktion zugeschrieben.

Mit gutem Bürodesign kann eine Firma dann auch die besten Köpfe als Mitarbeiter anlocken. Zum Beispiel mit smarten Umgebungen: das smarte Büro könne etwa Licht und Temperatur den Bedürfnissen des Arbeitnehmers anpassen, die dieser zuvor in seinem Profil festgelegt hat.

Und noch eine These gibt es in den „Arbeitswelten 4.0“: non-territoriale Büroformen könnten sich durchsetzen, dafür wird es mehr Rückzugmöglichkeiten geben. Der Grund: Der Stellenwert von Kommunikation und des informellen Austauschs wurde in den letzten Jahren vermutlich etwas übertrieben. Und selbst den kommunikativsten Mitarbeiterinnen ist das vielleicht zu viel.

Text: Irmgard Wutscher

Service

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Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA
Deloitte Flexible Working Studie 2019