Gooding, Spacey und Hoffman

WARNER BROS.

Schwachstellen offengelegt

Das Virus in der Filmgeschichte

Anarchie, Chaos und Gewalt, das sind die gängigen und oft blutrünstigen Szenarien, mit denen man es in Film und Fernsehen zu tun bekommt, wenn der Menschheit eine Virusplage blüht. Doch es gibt auch Beispiele, in denen anstelle von fiktiv-drastischen Bedrohungen mit Realitätsnähe über Seuchen erzählt wird, etwa in Steven Soderberghs Thriller "Contagion" aus dem Jahr 2011.

Eine Fledermaus wird von einem Bulldozer aufgeschreckt. Mit einem Stück Banane fliegt sie in einen Schweinestall und lässt es dort fallen. Ein Schwein frisst das Obst, wenig später wird es vom Küchenchef eines Casinos in Hongkong gekauft und zubereitet, danach wäscht er sich aber nicht die Hände, bevor er einer Kundin die Hand gibt. Ein simpler Ablauf und schon ist die Misere angerichtet: Ein für den Menschen tödliches Virus wurde auf den Weg geschickt. Therapiestrategie und Impfstoff? Fehlanzeige!

Schwachstellen offengelegt

Ein annähernd realistisches Szenario hat der US-amerikanische Regisseur Steven Soderbergh 2011 hat in seinem Film "Contagion" entworfen, also wie eine Pandemie entsteht und wie sich das Virus jenseits gesundheitlicher Aspekte in alle gesellschaftliche Bereiche verzweigt, letztlich Schwachstellen in Menschen, Strukturen und Institutionen schonungslos offenlegt: Informationen werden verschwiegen, durch Pseudomedikamente falsche Hoffnungen geschürt, Fake-News zu Profitzwecken in die Welt gesetzt.

"Herr General, fuck you!"

Während Soderbergh authentische Krisenvarianten durchspielt, wagte sich Regisseur Wolfgang Petersen 1995 einen Schritt weiter in die Fiktion und in Richtung vorsätzliche Niedertracht. Eine kalifornische Kleinstadt steht im Thriller "Outbreak - Lautlose Killer", vor einem viralen Kollaps, ein von Dustin Hoffman gespielter Virologe erkennt den Ernst der Lage, sein Vorgesetzter nicht. Innerhalb des US-Militärs entspinnt sich eine böse Intrige, letztlich übernehmen aber Zivilcourage und verbale Deutlichkeit das Kommando: "Mit allem Respekt, Herr General: Fuck you!"

Science-Fiction und Horror

Überhaupt sind Viren und Infektionen eine vorzügliche Spekulationsbasis für gesellschaftliche Missstände, vor allem im Genrekino, in Science-Fiction und Horror. Seuchen verwandeln da Menschen im Kino meist in ziemlich übel aussehende und schlechte gelaunte Zeitgenossen, dafür mit umso größerem Appetit: Exemplarisch sind etwa Filme wie "I am Legend" und jene der "Resident-Evil"-Reihe, in denen sich Menschen in zombieartige Kreaturen verwandeln, aber auch Frühwerke von David Cronenberg wie "Shivers" und "Rabid" aus den 70er Jahren.

Kampf gegen Kontrollverlust

Und nicht immer sind Tiere wie Fledermäuse die Sündenböcke. Forscher selbst lieben das Experiment und dabei die Selbstüberschätzung, die so wie auch im Film "28 Days Later" an absichtlich infizierten Schimpansen ausgelebt wird. Der Kampf gegen Kontrollverlust und die Zersetzung zivilisatorischer Errungenschaften, gegen die Ausbreitung einer Pandemie, oder der Schutz vor feindseligen Kreaturen, das sind die erzählerischen Hebel des Genres, Verfremdung und Überhöhung - beispielhaft "12 Monkeys" von Terry Gilliam - die Mittel, um auch der Menschheit einen Spiegel ihrer falschen Versuchungen und Verfehlungen vorzuhalten.

Hauptrolle für Corona?

In der Verfilmung von José Saramagos Roman "Stadt der Blinden" führt - überaus symbolträchtig - ein Virus zur Erblindung: Dass Menschen hier am Ende wieder sehen können, ist Hoffnungsgeste und Warnschild zugleich. Übrigens kam jedes einigermaßen in der Öffentlichkeit präsente Virus der letzten Jahrzehnte zu filmischen Ehren, von Ebola über MERS bis zur Vogelgrippe. Man kann also davon ausgehen, dass das Coronavirus auch in Zukunft die eine oder andere Hauptrolle bekommen wird.

Gestaltung

  • Arnold Schnötzinger