Mann in Mumbai mit Mundschutz auf offener Straße mit Desinfektionsmittel

AP/RAJANISH KAKADE

Kritik an Indiens Premier

Kastengesellschaft in Corona-Zeiten

In Indien hat gestern Premier Narendra Modi den dreiwöchigen Corona-Lockdown um weitere zweieinhalb Wochen bis zum 3. Mai verlängert. Die Finanzmetropole Mumbai gilt als das Zentrum der Infektionswelle in Indien. Der Grafikdesigner und Bürgerrechtsaktivist Amir Rizvi schildert die Lage, auch der Kulturschaffenden.

In Indien weicht wie überall der Kulturbetrieb wegen des Veranstaltungsverbots ins Netz aus. Aber es gibt keine öffentlichen Hilfen, die die Einkommensverluste abfangen würden, erzählt der Aktivist Amir Rizvi. In Bollywood, wo die Filmproduktion jetzt völlig steht, haben einige wenige Produzenten und Regisseure Hilfsmaßnahmen für Mitarbeiter am Set wie Assistenten, Maskenbilder etc. initiiert. Aber diese privat organisierten Hilfsgelder decken bei weitem nicht den Bedarf.

Soziale Katastrophe

Doch mehr als die Existenzsorgen in seinem Künstler-Umfeld brennt Amir Rizvi die Lage der Millionen Wanderarbeiter und anderen Taglöhner unter den Nägeln, die seit dem Lockdown am 24. März ohne Jobs dastehen und auch zu Fuß ihre Dörfer oft nicht erreichen; was bedeutet, sie können nicht essen.

Bis jetzt gibt es in Indien etwas über 300 bestätigte Covid-19-Tote, 200 dokumentierte Todesfälle jedoch gebe es bereits durch einen schlecht gemanagten Lockdown, etwa weil Menschen verhungern.

Gastarbeiter

Gastarbeiter demonstrieren am 14. April auf Mumbais Straßen.

AP

Maßnahmen wegen Trump-Besuch hinausgezögert

Kritiker des indischen Premiers Modi machen ihn für ein zu spätes Reagieren nach den ersten Infektionsfällen verantwortlich. Trotz Warnungen der Opposition seien Maßnahmen hinausgezögert worden, um einen Besuch des US-Präsidenten Trump in einem Stadion in Ahmedabad nicht zu gefährden. Und aus den regulären Armenhilfe-Budgets des Landes werde viel zu wenig Extrageld ausgeschüttet. Stattdessen hat Narendra Modi nun einen neuen Fonds begründet - "Prime Minister Cares".

Intransparenter Hilfsfonds

Viele berühmte Schauspieler und andere Celebrities spenden nun in diesen Fonds, der völlig intransparent sei; statt eine der NGOs zu unterstützen, die schnelle Hilfe direkt bei den Betroffenen etwa in Form von Lebensmitteln leisten. Amir Rizvi selbst betreut das Grafikdesign für die Organisation "Citizens for Justice and Peace".

Eine Lehre aus Corona werde man vielleicht in Mumbai ziehen: Dass es besser ist, wenn die Stadtreinigung nicht die reichen Viertel auf Hochglanz putzt und die armen Viertel im Dreck versinken lässt - denn das gefährde jetzt die Sicherheit aller.

Doch in den Mittel- und Oberschichten der Bevölkerung wird das neue Elend Besitzloser aufgrund der Pandemie Rizvis Wahrnehmung nach zumeist uninteressiert hingenommen. So tief verwurzelt sei das Kastensystem, dass auch die Corona-Krise daran wohl wenig ändern werde.